Hertha BSC – Bayer 04 Leverkusen 2:1

Zuschauer: 32.825

Heimspiel gegen die Werkself. Moment mal, Werkself? Soll das das marktwirtschaftliche Pendant zu den ehemals planwirtschaftlichen Betriebssportgemeinschaften (der DDR-Begriff wurde laut Wiki übrigens von den Nazis übernommen) des Ostens sein? Hier der Konzern, dort die Trägerbetriebe? Hmm.. Der Begriff „Werkself“ suggeriert immerhin, dass die Arbeiter des Werkes Teil des Sportvereins wären oder irgendwann mal waren. Angeblich kickten die Arbeiter der Farbenfabrik einst sensationell. Sonst hätte das Ganze sich ja nicht so entwickeln können, wie es geschehen ist. Oder? Aber wann hat der letzte Arbeiter seine Schuhe für Bayer Leverkusen geschnürt? Doch nicht erst seit der Ausgliederung hin zur Bayer Leverkusen AG.  Zu dem Thema gibt es übrigens ein interessantes Interview mit nem Bayer-Fan im Transparent-Magazin #19 (2016). Worauf ich eigentlich hinaus will: Ist der Begriff „Werkself“ nicht eine gnadenlose Romantisierung? Trotz aller historisch gewachsenen Verflechtung von Werk und Verein?

Jetzt werfe ich mal richtig unsachlich alles in einen Topf. Ist der Bayer-Weltkonzern heute (!) etwas anderes als Red Bull oder Volkswagen? Ist das Werkselfgerede da nicht doch eine ziemlich billige Imagekampagne, die bei den Fans gut ankommt? Denn was ist Tradition eigentlich? Doch nur das Vergehen der Jahre und Jahrzehnte. Wie beurteilen wir heute die Fusion des BFC Hertha 92 mit dem Berliner Sport Club?  Oder die Verlegung der BSG Empor Lauter nach Rostock? Anders als die Entstehung vom sog. „SV Wehen Wiesbaden“? Ich bin der Meinung das „Werkself“ kein vollkommener Etikettenschwindel ist (da die Stadt Leverkusen und der Verein ohne den Bayer-Konzern undenkbar anmutet), aber auf einen zweifelhaften Traditionsbegriff zurückgreift, mit dem es sich gut werben lässt. Auf die „Lex Leverkusen“ und die Finanzierung seitens des Bayer-Konzerns gehe ich jetzt mal nicht noch ein und bleibe beim Marketing: Ist das nun alles besser oder schlechter als „Play Berlin“ oder „We try we fail we win“? Vielleicht schon. Mir geht es trotzdem alles auf den Zünder.

Heute gab es wieder ein Spiel in der sog. „Englischen Woche.“ Was für eine Hassliebe! Fußball, Flutlicht, Atmosphäre vs. Arbeitsalltag, fehlende Urlaubstage, Familienvernachlässigung. Und wir hatten nun echt das Glück eines Heimspieles. Wie auch demnächst im Pokal. Da hat es uns auch schon anders erwischt. Die Fahrt zum Stadion erlebte ich im Grunde genauso wie gegen Bilbao vor einer Woche. Vorfreude aufs Spiel, kaum Herthafans in der Stadt und den S- und U-Bahnen. Im Stadion das gleiche Bild. Wenige Blau-Weiße, wenige Rot-Schwarze im Gästeblock. Okay etwas mehr kompakt stehende Ultras rund um UL. Bis auf den Wechselruf „Scheiß DFB“ war aber kaum etwas zu vernehmen. Die kritischen Spruchbänder bezogen sich heute mal wieder auf die unmöglichen Anstoßzeiten. Im Grunde gab es das alles schon. Wie wir sehen, ist es seither nicht besser geworden. Ganz im Gegenteil.

Überraschend war das Spiel. Der langsam zum Publikumsliebling aufsteigende Mathew Leckie erzielte schon nach einer knappen Viertelstunde das Tor des Abends. Einen austeigen lassen, dann links oben ins Eck. Genau da, wo alle den Ball sehen wollen. Das ist wie wenn ein Hochspringer über die höchste Latte hechtet, ein Skispringer über sämtliche Linien hinaus fliegt oder der Sprinter kurz vor der Marke alle anderen überholt und als erster ins Ziel kommt. So etwas wollen alle Fans und Sportbegeisterte sehen. Danke Mathew. Leverkusen wirkte etwas verwirrt (?) als unser guter Salomon Kalou zum 2:0 per Kopfball traf. Vorarbeit mit Durchsetzungsvermögen und Überblick durch Vedad Ibišević. In der zweiten Hälfte fuhr Hertha einen Gang runter (was mich immer nervt), möglicher Weise schon mit anderen Partien im Kopf? Leverkusen erzielte in der 84. das Anschlusstor durch Julian Brandt und nun wurde es noch einmal richtig knapp. Als Herthafan rechnest Du mit dem schlimmsten. Heute blieben wir allerdings davon verschont. Drei Punkte gegen Leverkusen. Super. Oder wie man früher sagte: Prima. Heute drückt sich die Jugend ja anders aus: „Ey digga, ich feier das voll. Das war mega.“

Die Ostkurve zeigte halbwegs eine gute Leistung. Im Europapokal war die Stimmung allerdings etwas besser, auf jeden Fall etwas lockerer. Ziemlich traurig wurde es nach dem Spielabpfiff. Die Dynamic Supporters Berlin ’05 gaben der aktiven Fanszene ihre Auflösung bekannt. Ein letztes Mal packten sie ihre Zaunfahne zusammen. Das ist bitter für die Szene. Mit DSB, einer immer ernsthaften, konsequenten und sehr engagierten, in der Tat dynamischen Gruppe, verliert die Ostkurve nach FGB eine weitere Ultras-Gruppe. Respekt auf jeden Fall für all das, was Ihr in den vergangenen 12 Jahren geleistet habt. Ha Ho He!

Hertha BSC - Bayer 04 Leverkusen 001

kbk#17

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