Zuschauer: 33.459 (niemals!)
Hertha im Pokal ist eine Geschichte für sich. Hertha im Pokal 2017 ist noch einmal eine ganz eigene Geschichte seit der denkwürdigen ersten Runde in Rostock. Kein Kommentar zu der ganzen Scheiße. Und nun die zweite Runde, von der wir (wie es in einem Lied heißt) jedes Jahr träumen. Weitere mögliche Ostkracher wie Union, Magdeburg oder Dresden blieben uns erspart, stattdessen ging es gegen einen Vorzeigewessiclub, den ruhmreichen „FC“ Kölle und zur Verwunderung aller sogar zu Hause. Eigentlich eine absolut machbare Nummer. Als EL-Teilnehmer sollten wir den Tabellenletzten der 1. Liga locker mit stolzer Brust 2,3 bis 4:0 weghauen und auf das nächste spannende Los hoffen. Schweinfurt 05? Lassen wir das.
Eigentlich wäre alles so einfach gewesen, hätten nicht fast alle Herthaner, die ich heute getroffen habe, ein komisches Bauchgefühl gehabt. Ich hatte es ja auch, aber das lag mehr an der scharfen Kürbissuppe heute Mittag. Zu viel Ingwer? Überall hörte ich das Wort „eigentlich“ und der Pessimismus stand den Leuten deutlich ins Gesicht geschrieben. Das machte auch der Freiburgpunkt nicht besser. Good auld Hertha! Will heißen: Es kann nur schief gehen. Vielleicht war aber auch ein Spektakel auf den Rängen drin? Immerhin waren zwei gut aufgestellte Szenen am Start und dann das restliche Publikum.. ne halt, da haben wir schon den Fehler im System. Das restliche Publikum fehlte einfach. Es ist den Berlinern, Brandenburgern usw. schlichtweg vollegal, ob Hertha ein Pokalheimspiel hat, ob sie eine Runde weiter kommt oder nicht. Aber wehe Euch, Ihr Mistkäfer und Kreuzottern, wehe wir spielen irgendwann mal wieder im Halbfinale und alle stürmen die Vorverkaufsstellen. Sowas von beknackt.
Vor überwiegend leeren Rängen (ich glaube es waren mehr Kölner im Stadion als Herthaner in Köln gewesen wären) wurde das Spiel „mit Ansage“ (wie Fredi meinte) bald von Minute zu Minute unangenehmer. Eigentlich fand ich Hertha im ersten Durchgang ganz gut. Genau wie der Kicker, den ich zitieren möchte: „Die Hauptstädter wirkten spielerisch reifer und ließen immer häufiger Angriffe anrollen.“ Pengo! Doch es kam was kommen musste. Der bislang recht passive FC geht durch die Treffer von Simon Zoller und Dominic Maroh noch vor der Halbzeitpause mit 0:2 in Führung. Da kannst Du Dir nur an die Stirn tippen oder gegen die Sitze treten. Und es wurde nicht besser. Statt der Kehrtwende trifft Christian Clemens zum unfassbaren 0:3 und spätestens jetzt kippt die Stimmung bei den noch anwesenden Herthanern. Die Hutschnuren rissen oder sucht Euch ein eigenes Wortspiel. Bock auf Support hatte jedenfalls kaum noch einer. Die Ausnahme bildeten solche Teile der Kurve, die immer dann Support und Leidenschaft einfordern, wenn der Rest nicht mehr dazu in der Lage ist. Mit anderen Worten: Sie warten nur auf solche Momente, in denen sie wahrgenommen werden und stimmen irgendein Feierlied an. Naja.
Und dann war da noch die zu erwartenden Fortsetzung des sog. Spruchbandbattles zwischen HB98 und WH96. Was da läuft, müssen die Gruppen verantworten, aber mir gefällt das Niveau schon die ganze Zeit nicht. Ich komme nicht vom Battle-Rap und finde es echt problematisch, dass nicht nur die jeweilige Gruppe verhöhnt wird (womit vermutlich niemand ein Problem hätte), sondern Menschen diskriminiert werden, die mit Fußball nichts zu tun haben und von denen man auch nicht erwarten kann, dass sie ein Verständnis für dieses provokativ-antagonistische Element der Ultrakultur haben. Für viele Opfer sexueller Gewalt ist die „Silvesternacht“ von Köln 2015/2016 ein hochsensibles Thema, gleichsam hat die rassistische Stigmatisierung junger Männer aus dem nordafrikanischen- und arabischen Raum als potentielle Vergewaltiger in der medialen Debatte an Gewicht gewonnen. Verschiedene Deutungen sind möglich. Mir ist schon klar, dass das Spruchband „heftiger“ als die vorherigen sein musste, doch für mich ist das alles zu viel. Aber das wissen ja eh alle. Dass Preetz im Nachgang den Leuten absprach Herthaner zu sein, ist auch schon wieder so ein Quatsch, den man immer dann in den Medien erzählen muss, wenn es irgendwelche Vorkommnisse gegeben hat. Mit einer äußeren Distanzierung ersucht man Gnade beim DFB, während man innerlich genau weiß, wer der Kern der Fanszene ist und was er für den Verein leistet. Blödfug also.
Es bleibt zu erwähnen, dass Niklas Stark in der 69. Minute noch den Anschlusstreffer erzielte, Hertha aber zu keiner Aufholjagd im Stande war. Daran konnte auch der nun anwesende Justus (FGB) nichts ändern. Stattdessen feierten die Kölner auf der anderen Seite ihre Kehrtwende (?) und demütigten mit ihren Gesängen die allerletzten verbliebenen Blau-Weißen im Olympiastadion. Punkt.
KBK*17
Foto: Sascha