7.518 Zuschauer im Wildparkstadion
Loide Loide Loide
Der Karlsruher SC wird in diesem Jahr 120 Jahre alt. Prost. Aus diesem Anlass hatten die Verantwortlichen eine passende Idee und verabredeten ein Freundschaftsspiel zwischen dem KSC und unserer Hertha. Es ist unnötig darauf hinzuweisen, dass da natürlich alle hin wollten. Ich will nicht rumjammern, dass wir alle älter werden und seltener Zeit für Besuche bei unseren Freunden haben. So etwas lesen die durchschnittlichen Fanzine-Leser ja in jedem zweiten Käseblättchen. Und doch ist was dran. An diesem Sommerwochenende war nun allerdings endlich mal wieder die Gelegenheit gekommen und auch die Gruppa machte sich mit ner ganz gut aufgestellten Bande auf in die Fächerstadt. Wir entschieden uns für das ausverkaufte Raumschiff von Testspiel-Frank und trafen somit erst am Sonnabendabend auf den Zugfahrer-Haufen. Per Anhalter (oder so) reiste noch einer unserer Wessis an: Pawk Forehead, ein begnadeter Hausmann mit tollen Wisch-Techniken. Onkel Jan derweil war nicht zu erreichen. Möglicherweise war sein Handy in die ewigen Abgründe gefallen. Gibt es die Sendung „Bitte melde dich“ mit Jörg Wontorra noch?
Die Hinfahrt war stimmungsmäßig – nun wie soll ich mich diplomatisch ausdrücken – etwas angespannt. Dabei arbeiteten die verschiedenen Anwärter bereits am Titel des „Tagesvollsten“. Dass Felix Grande-Tête und Fliese parallel bei irgend nem Brandenburger Dorffest seit 08:00 Uhr mit großen Krügen anstießen, konnte der Rest natürlich nicht ahnen. Florida-F. trank den ICE leer und soll nach der Ankunft in KA wahlweise im Dreck oder einem Teich gelegen habe. (Die Quellen widersprechen sich da leicht.) Quadrati hielt sich verbissen an seiner Wilthenermische fest um nachzulegen, wenn er nicht gerade das Finger-Muskeltraining mit den grün genoppten Gummiringen (fragt Marn was das für Dinger sind) durchführte. Unklar bleibt im Übrigen nach welchen Kriterien die unabhängige Gruppa-Jury den „Tagesvollsten“ kürt. Geht es um den Alkoholgehalt im Blut, die mieseste Visage, die tollste Show oder doch das peinlichste Auftreten in der Öffentlichkeit?
Am HBF in KA war Frank i.S. uns endlich los und ich stieg in das Auto meines besten Ettlinger Freundes. Endlich hatten wir mal wieder die Gelegenheit uns so richtig ausschweifend zu unterhalten. Das Gesprächshighlight dieses Mal waren die die allerneusten unmöglichen Ultras-Kontakte in der deutschen Fanszene. Wer hat was mit wem und er hat was mit dem. Ich musste doch ein paar Mal interessiert mit dem Kopf schütteln, führe das hier mit der Rücksicht auf Einzelne aber nicht weiter aus. Nach dem ich etwas die leichte Lebensart der Ettlinger nachempfunden hatte ging es mit der S1 wieder zurück nach Karlsruhe zum Feschd. Ich war tatsächlich in all den Jahren noch nie da. Vermutlich weil es noch nie so richtig mit Fußballzusammenhang stattgefunden hat!? Kam aber ganz locker rüber, auch wenn es wohl nicht mehr das alte ist. Nur, zu viele Sechzehnjährige nehmen zu viele Drogen!
Den Nachmittag hatten die verschiedenen Gruppen unterschiedlich verbracht, mit grillen, abgammeln im Schatten und pipapo. Nun traf sich der Mob nahe der Techno-Bühne. Das war schon ein schönes Hallo. Viele bekannte Gesichter waren dabei. Beim Blick auf die Gruppa-Jungs fiel Mikka als vollster auf, wobei Florida F. gar nicht erschienen war. Er sei nur „bis zur Ecke“ mitgekommen und dann verschwunden. Die Wahrheit: Er war bereits mit der Berliner Stammkundschaft in den Graß-Dackel eingekehrt. Wir warteten also noch ab, bis wir Rolands gefährlichstem Serben aus dem Wedding zum Geburtstag gratulieren konnten. Dann machte sich unsere Mischpoke ebenfalls auf zum Graß-Dackel. Dort fanden wir bereits einen guten Assi-Pöbel, eine leicht bis stark überforderte Bedienung und einen aufgedreht umherspringenden Florida F. vor. Von wegen im-Dreck-liegen und so. Dass es kein alkoholfreies Bier im Dackel gab, gleicht einem Skandal. Dass die Kloschildchen Ähnlichkeiten mit dem Daggl-Logo der Nürnberger hatten und im inneren ein ganzer Pissesee zur Abkühlung einlud, war dagegen weniger skandalös. Etwas skandalöser war dann schon eher wieder das Verhalten der berüchtigten Griminals Süd Berlin, die die Bedienung mit Bierkästen einbauten. Da kam dann auch die Ansage vom Spandauer, der sich engagiert für seine Stammkneipe einsetzte. Wir gammelten noch ein bisschen auf dem Kneipen-Sofa ab, wenn auch nicht für lange. Denn im Vorderraum hatte unser größtes GSB-Mitglied die Entdeckung des Abends gemacht: Eine Trompete an der Decke.
„Von all unseren Kameraden war keiner so lieb und so gut, wie unser kleiner Trompeter, ein lustiges Rotgardistenblut.“
Ganz offensichtlich war nichts anderes mehr in seinem Kopf als diese etwas schäbige und leicht rostige Trompete. Ständig versuchte er sie zu angeln. Trotz seiner 2m brauchte er schließlich Poudas räuberleiternde Oberarme um an das Ziel aller Objekte zu kommen. Und nun war seine Zeit gekommen. Jahre lang wartete er auf den ganz ganz großen Auftritt vor einem breiten Publikum. Nun endlich konnten die Fans der Blechblasmusik völlig freidrehen. Eingeheizt vom ersten wirklich relevanten Szene-Trompeter kochte der Laden nun komplett. Dieser – wie Brummkreisel würdigend behauptete – südamerikanischen Stimmung konnten sich nun auch nicht mehr die Ottonormalbürger entziehen und so tanzten sie zwischen uns und sangen unsere Hinterbus-Charts wie selbstverständlich aus voller Kehle mit. Mit Moni oder Mona (wenn sie wirklich so hieß) war nun auch das Eis gebrochen und so schüttete die einzige Arbeitende in diesem Laden den roten Schnappps direkt in die offenen Münder und brachte Salzstangen zum rumwerfen. Rund herum rasteten alle aus – wie leider zu selten im Stadion-Alltag, bemerkte der eben angeführte B.K. – und ergaunerten sich einen festen Platz in der großen Chronik der besten Fußballpartys. Dieser Moment war einer der Besten in meiner Fanlaufbahn. Tatsächlich. Ein abruptes Ende hatte die Stimmung später als die Mucke (glaube Onkelz oder Atemlos) wieder lautgedreht wurde. Aber die Leute waren inzwischen auch krass ausgepowert von dieser anhaltenden Ekstase. Der Gruppa-Titel des Tagesvollsten ging wegen der einmaligen Show an Florida-F., was der Rest mit Eifersucht zur Kenntnis nahm. Vor allem Mikka war sichtlich enttäuscht und wollte ins Bett.
Ich hatte auch genug und fuhr mit der Straßenbahn heim. Zufällig hatte BP‘93-David – der sympathischste Ami aus der Karlsruher Szene – den gleichen Weg und ein paar sehr interessante biografische Geschichten parat. Nicht mal ne Stunde nach mir war der Rest der Ettlinger Gäste auch schon da, samt Trompete natürlich, die Codolf Esteban – reden wir nicht drum rum – eiskalt geklaut hat.
Der schöne Sonntag begann mit einer großen Frühstücksrunde in Ettlingen – fast wie in alten Tagen – und ging gleich anschließend mit Schnitzelessen im Emaille weiter. Manchmal ist das -alles-ist-wie-immer-Gefühl wirklich beruhigend. Der Mob lief dann mit circa 150 gude Leut durch den Schlosspark zum Wildparkstadion. Keine Bullen weit und breit. Das Leben kann so schön sein! Am Stadion angekommen bekam ich leichte Beklemmungen. Ich weiß – die Karlsruher Szene hat sich geschlossen für den Neubau des Wildparkstadions ausgesprochen und so wird es wohl auch kommen. Für mich ist der Gedanke, dass dieses Stadion – mein Lieblingsstadion in diesem Land – erstmal abgerissen wird, ein sehr schmerzlicher. Is so. Oder wie bei der Gruppa in letzter Zeit wieder vermehr gesagt wird „Ja is doch so.“
Der Gästeblock war heute geschlossen. Sehr gut. So mischten sich die Fanszenen ganz locker. Wobei die aktive Szenen zusammen im L-Block mal den KSC, mal Hertha, mal die Freundschaft, mal die Trompete, mal nen Hochzeitsantrag (auweia) und mal nicht Union feierten. Die Ultras KA hatten wie üblich vor ihrem Block geflaggt, unsere Fahnen hingen im Oberring. Habe noch kein Bild gesehen, sah aber sicher gut aus. Röchel-W. röchelte so vor sich hin und Pouda hatte glaub ich ein Kratzen im Hals. Ansonsten waren alle wohl auf und die Vorsänger beider Seiten heizten gut ein. Eine kleine Sufftruppe stürmte irgendwann in der zweiten Hälfte den geschlossenen Gästeblock, was zu Wechselgesängen und gegenseitigem Spaßpöbeln führte. Sehr kurzweilig. Ein Grauen gab es dann doch noch: Das Spiel auf dem Platz. Die Mannschaften hätten wohl auch lieber auf den Rängen mitgemacht als in der Hitze von A nach B zu rennen. Die schicken neuen KSC-Jubiläums Trikots sahen von weitem unseren eigentlichen Trikots zudem so ähnlich, dass es öfter zu Verwechslungen in der Anfeuerung kam. Warum das Spiel in der zweiten Halbzeit nicht einfach ausgesoffen wurde, ist mir bis heute (Montag danach) ein Rätsel. Hertha hatte die wichtigen Testspiel-Punkte nach den 90 Minuten ruhmreich im Sack. Getroffen hatte Sami Allagui in der 39. Minute. Sehr auffällig war im Vergleich zum Eindhoven-Spiel, dass Luhukay heute vor allem das alte Team spielen ließ und das hat ja in der zurückliegenden Rückrunde nicht so blendend abgeliefert. Ndjeng, ach ne dazu sage ich nichts. Fairerweise hätte der KSC mal noch einen reinschnibbeln können, denn Hertha spielte echt nicht berauschend, aber der Jarstein hielt alles (wenn auch nicht fest.)
Nach dem Abpfiff kamen die beiden Mannschaften inklusive einiger Hertha-Ultras, die für Schabernack besonders bekannt sind, über den Platz zur Gegengerade und feierten alle zusammen Arm in Arm. Das war ein schönes Bild für die Erinnerung. Wahrlich wahrlich: Hertha und der KSC ist etwas Einmaliges. Ich weiß natürlich nicht wie sich andere bekannte Fanfreundschaften in Deutschland so anfühlen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Nürnberg und Schlacke oder Bayern und Bochum geiler sein soll.
Nach dem Abpfiff trieb Testspiel-Frank seine Pappenheimer mit Nachdruck zurück zum Raumschiff. Haha wie unlustig – Raumschiff. Ihr denkt das soll ein Scherz sein. Aber es ist keiner. Jedenfalls waren meine Hände klitschnass bei der Hochgeschwindigkeit (kenne ich eigentlich nur vom Fliegen in der Intensität) und Pouda berichtete ähnliches. Nach ein paar krassen Dehnungsübungen auf der Rückbank (mein Knie hält den rechten Winkel nur noch maximal 15min aus) und den absurdesten Musikvorführungen (es glaubt ja keiner was Testspiel-F. so alles auf seiner Festplatte hat, bis auf meine Elektro-Komposition „Enten“ war alles erdenkliche dabei!) standen wir wieder in Neukölln und meine Habichtaugen erspähten sogar noch zwei Pfandflaschen.
In diesem Sinne, es hat sich mehr als nur gelohnt dieses besondere Freundschaftsspiel besucht zu haben. Viele Grüße und herzlichen Dank an unsere Geschwister im Süden!
Fazit, einfach noch mal mit Grüßen an unseren kleinen Trompeter, der so gern H. zitiert: Loide Loide Loide!
Super Bericht!