Viertelfinale DFB-Pokal: Heidenheim vs Hertha BSC 2:3

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Zuschauer: 11.900

Kann man den jüngsten Erfolgen langsam mal trauen oder ist Platz drei in der Liga und das Überwintern im Pokal nur der Anlauf für die nächste noch größere Demütigung? Frei nach dem von Tocotronic ausgegebenen semi-offiziellen Hertha-Slogan „Die Folter endet nie“. Oder soll in dieser Saison wirklich alles anders und wir endlich mal belohnt werden? Und auch wenn wir in dieser Saison mal belohnt werden würden, wäre das nicht wiederum nur der Anlauf für eine noch größere Katastrophe. Das Hertha-Trauma sitzt tief, aber heute war für derlei Gedanken erstmal keine Zeit, denn wir leben ja immer noch im Moment und der war an einem Februar-Mittwoch gekommen. Wir sattelten die Pferde und machten uns auf nach Heidenheim an der Brenz! ( so viel Zeit muss sein – obwohl ich kein zweites Heidenheim im Internet gefunden habe).
Die Sonne grüßte sogar kurz am Alex und nach einer klassischen Brechdurchfall-Absage starteten wir zu siebt, um den weißen Fleck Heidenheim aus unseren Atlanten zu tilgen. Hier hatte Hertha zuletzt vor über 30 Jahren mal gespielt und mim KaSchZäh war auch noch niemand unserer handverlsenen Trümmer-Truppe dort.

1 FC Heidenheim - Hertha BSC 015
Irgendwie ereilte mich nach Jahren mal wieder das Los des Truckerfahrers und Gondolieri und so musste ich es schweren Herzens den anderen Überlassen, sich ein paar Hülsen reinzudrehen und auf Durchzug zu schalten. Stattdessen also aufpassen im Straßenverkehr. Nerv, ey!
Vom Unterhaltungsniveau starteten wir vielversprechend: Es ging um die Kirchensteuer, die in unserer Runde genau ein Mitfahrer zahlt, und mathematische Herleitungen, wie viel Milliarden jetzt wem dadurch wofür eigentlich zur Verfügung stünden. Doch dann kam Masanobu Sato ins Spiel, seines Zeichens Wichsweltmeister der DoubleUDoubleUF (WorldWankingFederation). Interessante Disziplinen gibt es da, wir waren schwer beeindruckt. Schließlich langsam aufs Spiel fokussieren: Irgendjemand sagte, die heutige Wettkampfstätte (Voith Arena, vormals – kein Scherz – GAGFAH-Arena, vormals Albstadion) sei das zweithöchste Stadion im deutschen Profi-Bereich. Wir suchten lange und suchen noch immer den Erstplatzierten. Den Sportplatz auf dem Dach eines Möbeldiscounters in Berlin lassen wir nicht zählen.
Das Niveau hatte spätestens auf höhe Nürnberg den Sinkflug eingeleitet. Mirko holte eine Büchse Sprotten raus, und landete damit bei allen Mitfahrern einen derartigen Volltreffer (was bei Auswärts-Fisch nun wirklich keine Selbstverständlichkeit ist), dass wir uns kurze Zeit später genötigt fühlten, einen Discounter anzufahren, war ja Mittwoch, um neue Sprotten zu kaufen. Eine gute Basis für noch mehr Bier bei allen anderen. Irgendwann erwachte in Pengoslav der Elefantenmann und ein permanentes „Powpowpowpowpow“ gefolgt von einem langezogenen „Pull up!“ und flankiert von einer Feuerzeugshow auf Haupthaarhöhe der Mitfahrer begleiteten uns durch immer winterlichere Landschaften.
Zweitfahrer Flo schloss sich kurz vor Heidenheim einer verdächtigen 9er-Kolonne an und manövrierte uns über den ein oder anderen Um- und Waldweg samt Kuppelschaden Richtung Gästeparkplatz. Dort stand schon Maxi (mit neuem Knieschaden) parat und wusste zu berichten, dass der Waldweg zum Parkplatz erst vor kurzer Zeit asphaltiert wurde. Na immerhin etwas. Wo wir schon bei Rang und Namen sind, davon war heute mal wieder alles vertreten. Mit allen positiven und negativen Ausschlägen, versteht sich. Das Sadion soweit ganz nett, Gästeblock hinterm Tor auch annehmbar, nur ausverkauft war das Stadion nicht, das wunderte mich dann doch leicht.
Die Heidenheim-Ultras (muss leider nachschlagen…Fanatico Boys heißen sie) läuteten mit großangelegter Choreo ein. Ganz schön ausgefuchster Plan mit verschiedenen Elementen, ging allerdings in der Durchführung doch ziemlich in die Hose. Eine rot-blau gestreifte Blockfahne wäre vielleicht doch geiler, aber ich will das auch nicht madig reden, für die war es bestimmt nen großes Ding. Na gut, ein bisschen madig reden will ich die Choreo doch. „Blut Schweiß Narben – kämpft für unsere Farben“ – schon nicht die ganz große Spruchband-Schule, aber dann auch noch diese hochgezogenen Figuren im Malen-nach-Zahlen-Stil. Finde ich scheiße. Weniger ist mehr.
Der Gästeblock war in guter Schalala-Laune, auch hier war heute weniger (Text) mehr (Lautstärke). Zum Geschehen auf dem Platz nur das nötigste: Heidenheim ging nach schönem Bock von Jarstein nach einem Eckball früh in Führung, Hertha glich glücklicherweise quasi mit dem Gegenzug aus und Ibisevic traf gleich noch mal zur Pausenführung. Spätestens mit dem 3:1 in der 58. Minute machte sich große Gelassenheit und Feierstimmung im Gästeblock breit. Das wirkte hier alles in allem doch ziemlich souverän und abgeklärt. Also hatte Hertha Erbarmen, lud zum Elfmeter ein und Schnatterer machte es am Ende nochmal spannend. Aber hier sollte es heute keine Enttäuschung mehr geben, Bernie Blindmann pfiff ab, Hertha also seit achtzehnhundertdrölfzich mal wieder im Halbfinale! Wir feierten im Block noch ganz nett ab (mein Highlight: „Schnitzelessen Schnitzelessen Artemis!“). Das tat doch ganz gut.
Die Rückfahrt ist schnell erklärt: wir riefen mehrfach völlig empört bei der SWR1-Redaktion an, um den tollen Musikmix zu loben und gleichzeitig den Moderator aufzufordern auf das Hertha BSC Berlin zu verzichten. Nach Anruf zwei hieß es dann in den Sportnachrichten plötzlich nur noch ‚Berlin gewinnt gegen den 1.FC Heidenheim – na Hurra. Und dann die Auslosung der Halbfinals. Spannende Sache, die wir per Telefonkonferenz verfolgten. Jetzt also Hertha – Bremen im Finale. Dolle Sache.
Während wir vorne an der von Heidenheim bis Berlin aufgereihten Trucker-Kolonne vorbeizogen, gingen hinten die Lampen langsam aus. Nur in der allerallerletzten Reihe brannte noch Licht: Mirko und der Bro schlossen Freundschaft und laberten und tranken sich durch die Nacht.

Der eingangs erwähnte Song von Tocotronic geht übrigens noch weiter: „Die Folter endet nie – wir werden dennoch siegen“. Joah.