FC Augsburg – Hertha BSC 0:0

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27.007 Zuschauer

Hey Hippies. Bock auf was Mystisches? Dann fahrt mal an einem trüben Sonnabend im November in die Bürgermeister-Ulrich-Straße bei Augsburg zum Fußball. Andere maulten, aber ich fand’s ganz geil. Wie wir da so knapp ne Stunde vor Anpfiff durchnässt am Gästeblock standen in den strömenden Regen (mittelmäßiger Starkregen sagt Micha) starrten und Fritze ob der paar Hundert anwesenden Herthaner einen gelungenen Drittliga-Vergleich zog. Füße nasskalt, Heißgetränke nur mit Bezahlkarte (und dadurch nur Thommy vom FP mit seiner Freikarte vorbehalten) und sonst, ja sagen wir wie es war: nischt. Wir wussten natürlich, dass die Ultras und ein paar weitere Schlachtenbummler noch kommen würden, aber voll konnte das hier heute nicht mehr werden. Mich zog es trotzdem schon mal ins Stadion. Ich beobachtete das unspektakuläre Geschehen auf den Rängen. Die Heimszene hatte noch nicht mal Fahnen an den Zaun gebracht. Nichts los. Nur kalt und Regenfäden im bereits angeschalteten Flutlicht. Micha wurde fast sauer, dass ich für solch eine Szenerie ein Herz haben kann. Fritze unkte noch, ob das Spiel eventuell abgesagt werden würde. Das erinnerte mich natürlich an meine Spielabsage wegen Starkregens damals in Dundee. Ja doch, die Vergleiche kommen hin. So ähnlich waren auch einige schottische Spielbesuche für mich: Im Kalten stehen und froh über die minimalste Fanaktivität auf den Rängen sein.

Ich springe noch mal kurz zurück auf die wohl regnerischste Hinfahrt seit weiß ich nicht und in unseren 9er. Aus den Boxen dudelten einige Klassiker der Playlist und das sogar ohne FM-Transmitter. Beifahrer Mirko hatte mit seinem zielsicheren Klick ins Menü aber einfach auch alles im Griff. Von den Songs blieb vor allem der „Ice Cream Man“ hängen, der heute regelrecht weltfremd klang. „Kuunoo!“ und gleich noch mal von vorn. Ich gebe jetzt mal zu, dass ich hier ein paar Notizen vorliegen habe. Aber was zum Geier soll „Biber streicheln“ bedeuten? Ich kann mich null daran erinnern. Offensichtlich war es ein wichtiges Gesprächsthema. Ebenso wie das Handwerk der „erfahrenen Brennmeister“ in den geheimen oberlausitzer Brennkellern, die zu Wilthen seit Jahrzehnten erfolgreich Weinbrand-Verschnitt zusammenrödeln. Naja, davon könnt Ihr halten, was Ihr wollt. Aber ohne Agraralkohol kannste destillieren wie de willst, es wird einfach nichts. Ich hoffe ich habe das langgehütete Geheimnis jetzt nicht ausgeplaudert. Weitere Gesprächsthemen drehten sich um Powders legendäre „Nike Powerschühchen“ (gar nicht so falsch, denn Nike kommt von der griechischen Siegesgöttin Νίκη) und meinem eskalierten Streit mit Peter H. auf dem Grundschulhof darüber, ob „Giovanscher Elber“ nicht doch „Giovane Elber“ heißt. Ich klopf mir mal auf die Schultern: Hatte recht. Die neueste BFU-Ausgabe wurde vom Presseklub auf der Mittelbank kritisch besprochen, obwohl nur ich reingelesen hatte. Der Fanforscher-Raus-Text erhielt keinen Lorbeerkranz (können die scheiß Kränze nicht irgendwann mal aus dem Traditionsstyle der Fanszenen verschwinden?) und der erste Teil des UD-Krawall-Interviews zumindest das Prädikat „kurzweilig“. Dann fiel uns noch ein ganz geiles Spruchband gegen Cottbus ein. Problem: Wann spielen wir mal wieder gegen Cottbus? Die sind ja in die tiefen Senken des regionalen Fußballs gerutscht und das Spiel gegen die Amateure haben wir ärgerlicherweise im Kollektiv verpasst. Am besten ne Notiz machen und an den Spiegel im Bad kleben. Amir erzählte noch davon, wie der arabische Name seines Vaters eingedeutscht wurde. Ich wusste gar nicht, dass das noch so Gang und Gebe ist. Dachte die Zeiten wären mal vorbei? Denkste Pubbe. Wir hielten noch beim bekannten Fleischer in Bayreuth Süd und aßen Leberkäse für Peanuts. So mehr gibt’s nun wirklich nicht über die Hinfahrt zu berichten und wir hüpfen zurück in den Augsburger Gästeblock. (Steht ja zum Glück nicht in Magdeburg, sonst wäre das verboten. Oh man, mieser Joke!)

Kurz vor dem Anpfiff trafen die Gruppen nach einigen Startschwierigkeiten im Stadion ein. Auf Fanmaterial wurde aufgrund der pinken Trikots verzichtet. Lediglich der Protestbanner und die Zaunfahne „Nur echt in Blau-Weiß“ hingen vor dem Block. Dazu gab es 2-3 Herthafahnen in Schwenkfahnen-Größe und einen älteren DH mit Herthafahne und dem Zusatz „Sonst nix“. Ähm ja, ich finde die Lösung mit den Zaunfahnen nachvollziehbar. So steht der Protest im Vordergrund. Der Verzicht auf Material im Block überzeugt mich nicht. Gerade in der dunklen Jahreszeit verschwindet so einfach jede Menge Blau-Weiß aus dem Block. Besonders unter der heute hervorgehobenen Vereinsfarben-Thematik ist das doch etwas schadé. Gelungen war die Spruchbandaktion mit den Augsburgern, ebenfalls zum Thema. Die Augsburger haben ähnliche Probleme mit nem neongelben Trikot. Da kannste Dir auch nur an die Stirn tippen. Der Support bei uns entsprechend auf Vereinsfarben konzentriert. In der ersten Hälfte ziemlich gequält, in der zweiten phasenweise unterhaltsam. Das lag vor allem auch an einem relativ heftigen Pogo. Ich bin zu zimperlich und zu dem ein Hippieschwein, aber der Rest schien gut ein Ding am Rad zu haben und das sah schon beim Zuschauen nach Spaß aus. Gut so, muss ja auch nicht immer alles bitterernst sein. Gerade wenn es in Augsburg 0:0 steht. Das Amir sich den Fuß verstauchte, war natürlich für ihn ärgerlich. Ansonsten fand ich, dass sich das Geschehen auf den Rängen ziemlich gleich gestaltete, denn der Stimmungsmob im M-Block war nicht viel größer als der im Gästeblock. Ich check den Standort auch einfach nicht. Bis auf Karlsruhe und vielleicht Hannover (weiß nicht ob ich das wirklich behaupten will) habe ich hierzulande noch nie gesehen, dass oben stehende Ultras ganze Tribünen mitreißen können. Die permanenten Gruppenumzüge von Gladbach, Mainz und co. stehen mir da sofort vor Augen. Optisch kamen die schlichten Schwenkfahnen in den FCA-Farben allerdings gut rüber.

Die Mannschaften passten sich ziemlich dem trüben Wetter an und es passierte nicht viel. Kaum Chancen auf beiden Seiten in der ersten Hälfte. Wobei es mir reichlich egal ist, ob sich die dämlichen Schwaben Chancen erspielen oder nicht. Hauptsache Rune hat den Laden im Griff. Glückwunsch übrigens zur Auszeichnung als Fußballer des Jahres in Norwegen! Zur Pause lauschte ich ein paar Gesprächen der Jungschen im Block, bei denen sich mal wieder alles darum drehte, was so im HB-Bus abgegangen sein soll. Lustig. Da zerbrechen sich ganze Generationen von Jungschen den Kopf, wie es wohl im Bus der Ultras abgeht. Ich erinnere mich an die Fahrt zum Nichtabstiegsspiel 2004 nach München (1:1 gegen 1860), als in einem Kuttenbus die Mitfahrenden genötigt wurden Dauergesänge durchzuhalten. Im HB-Bus bekämen wir aufs Maul, wenn wir nicht die ganze Fahrt über „Wir sind Blau-Weiß und das seit eh und je“ singen würden. Da haben wir damals natürlich gut mitgezogen. Stimmung ist doch geil. Spannend. In der zweiten Hälfte war dann etwas mehr Schwung im Spiel. Stocker hatte zwei gute Gelegenheiten und Hertha machte gerade in den letzten Minuten ordentlich Druck. Leider zu spät. Denn the referee’s a wanker (weiß gar nicht wer heute dran war) pfiff genau bei 90:00 ab, obwohl es einige Unterbrechungen gegeben hatte. Noch 2-3 Minuten und hier wäre noch etwas gegangen. Wort drauf! Schade, aber alles nicht dramatisch. Bei so einem Wetter an einem solchen Ort ist ein 0:0 absolut vertretbar.

Nach dem Spiel noch etwas Smalltalk mit der Szene und dann ab auf die abgeernteten Maisfelder, die um das Möbelhausbaumarktoderwieihresnennenwollt-Stadion gelegen sind. Mirko kannte ne Abkürzung, bei der wir zum Glück Flanders im Nebel nicht überfahren haben. Für uns gab es jetzt nur eine Frage: Wann kommen wir endlich mal wieder nach Kinding? Die Antwort: Etwa 90min später. Fast wäre der Zwischenhalt noch geplatzt, als Mirko die Horrornachricht von seinem Smarthphone vorlas: Der Krebs hat geschlossen, wegen Familienjahresurlaubs. Klar, haben sie sich verdient nach dem monatelangen Schuften. Trotzdem sauärgerlich. Wenn wir schon mal in Kinding sind! Also gab es nur eine Alternative: Ab in die „Krone“. Die Krone wird für mich nie an den Krebs herankommen. Das Essen war aber nicht schlecht, auch wenn Mike die Pommes etwas zu salzig fand. Nebenbei lief noch Dortmund-Bayern auf Großleinwand. Am Nachbartisch zwei Jungs in Bayerntrikots mit richtig langen Gesichtern. Jeder von uns weiß wie scheiße sich so etwas anfühlt.. Die letzten Minuten vergehen und es passiert nichts mehr. Mit 11 oder 12 Jahren noch weniger zu ertragen als heute. Ähm, was ich aber eigentlich sagen will ist dies: Das schönste an Kinding ist nicht der Krebs und schon gar nicht die Krone. Das schönste ist auch nicht das frischgezapfte Bier im Glas, ne süße Buchtel in der Kralle oder der gemütliche Holzfeuergeruch bei 2°C. Das schönste an Kinding ist der säuselnde Bach. Ob im Sommer mit den Füßen im kalten Wasser oder jetzt gedankenversunken auf der Holzbrücke. Erzählt mir was Ihr wollt, in dieser Hinsicht ist unser Flachland einfach scheiße.

Da ich mystisch begonnen habe, will ich nicht mit besoffenen, vom Schlagerevent kommenden Dorftrotteln in der U2 enden (die ich erfolgreich mit Psychoblick von nervigen Anlaberattacken abbringen konnte), sondern verabschiede mich mit einer Momentaufnahme irgendwo in der fränkischen Schweiz. Keine Autos vor uns auf der A9, die ersten Sterne kommen raus, die Temperatur rückt gen Frostgrenze, Mike spielt weiter seine Liste ab und Moe steuert unser Boot mit der erfahrenen Ruhe eines langbärtigen Seemanns durch die Nacht. Wie würde Sven Regener in die Menge rufen: Romantik!

KBK‘16