FSV Mainz 05 – Hertha BSC 0:0

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Zuschauer: 33.800

Hey Hey Hey der VFB ist Absteiger!

Ein Wochenende mit der Blau-Weißen Achse (Teil II)

Drei Stunden Schlaf reichen nicht hinten und nicht vorne. Ist ja klar. Ich hatte daher schon vor dem Schlafen geduscht, nun folgten die verschlafenen Luke und Fliese am frühen Morgen. Ich machte etwas Druck. Wir wollten ja den Zug nicht verpassen. Als Lukes‘ Brett stand, liefen wir schon mal schnell zur Petite Boulangerie ums Eck. Mehr Kultur! Mehr Kultur! Auf der Straße lief uns Franck von den UB90 entgegen, etwas verstrahlt, aber gut gelaunt. Immerhin stand heute wieder Fußball auf dem Plan. Beim Bäcker wurden unsere Französisch-Kenntnisse gebraucht, wobei ich auf die formvollendete Höflichkeit achtete. Merci Madame!

Derweil hatte Dr. Fliese im Bad getan, was zu tun war und halbwegs erfrischt fuhr uns Pierre-Luc wieder zum UB-Lokal (Danke für alles Kumpel!!!), wo die Straßburger gerade im Begriff waren aufzubrechen. Quadratauge wollte noch tanken und ebenfalls zum Bäcker, so dass wir nicht in Kolonne nach KA fuhren. Wenig später überquerten wir die Rheinbrücke nach Kehl, wobei zwischen Frankreich und Deutschland „Schengen“ noch in Kraft zu sein scheint. Apropos, wir waren ja länger nicht in Frankreich. Was hat sich seit den Anschlägen vom 13. November getan? In Strasbourg fielen im Stadionumfeld schon einige „Fuck Isis“-T-Shirts samt Trikolore auf, ansonsten war das Sicherheitsaufkommen relativ normal. Ich wollte noch irgendetwas sagen und war schon vor dem Ende der Brücke tief eingeschlafen.

Beim nächsten Wimpernschlag standen wir vor dem Karlsruher HBF. Ging wahnsinnig schnell und Micha schaffte es sogar pünktlich. Nun trafen wir unser Breisgauer Gruppa-Mitglied Jan, der mir einen Sixer Waldhaus Alkoholfrei zur Begrüßung unter die Nase hielt. Rothaus sei out, meinte er. Der Mob der blau-weißen Achse hatte sich inzwischen versammelt und der Zug fuhr pünktlich nach Rheinland-Pfalz. Zwei Fragen beschäftigten die Leute um mich herum. A. Würden wir auf den Gladbacher Haufen treffen und uns kräftig battlen? B. Woher wissen eigentlich so viele Kutten, wann sich die Ultras wo treffen? Direkt vor meiner Nase stand eine Kutten-Kombi aus Berlin und Karlsruhe, die extrem abnervte. Den Vogel schoss eine Herthanerin mit besonders lautem Mundwerk ab, die sagte, dass sie „nicht rechts“ sei, bei einigen Themen aber durchaus „rechte Positionen“ vertrete. Sie verlangte von ihrem Kompagnon stichhaltige Argumente, warum er kein Nazi sei. Ich hielt mich an meiner langsam warm werdenden Flasche Waldhaus-Alkoholfrei fest und analysierte mal wieder das Phänomen, dass einige besoffene Kutten ab irgendeinem Zeitpunkt nur noch in Fangesängen kommunizieren. „Ich muss mal pissen, pissen, pissen, muss mal pissen, pissen, pissen..“ Oder „Allez, lass mich durch allez allez“. Oder „Ich kann nicht mehr stehen olé olé“. Usw.

Kurz vor Mainz hielt der Zug verdächtig lang an einem Signal, so dass wir vermuteten, dass die Gladbacher inzwischen in Mainz waren. Waren sie aber nicht. Sie hatten Verspätung und attackierten dafür später laut FF den Mainzer Radfahrer Haufen. Wir waren auf die Shuttle-Busse angewiesen, da ein Fußmarsch bis auf den Acker, auf dem das neue Stadion gebaut ist, viel viel zu weit gewesen wäre. Der FKO hatte ein Grillfest auf dem Parkplatz am Gästeblock initiiert und zum Tragen von blau-weiß-längst-gestreiften Trikots aufgerufen. Klappte ganz gut, allerdings kamen die Wender am Grill kaum hinterher und die Mordsschlange nervte. Apropos Grillplatz. Klar ist es nett, dass es hier am Parkplatz nen richtigen Grillplatz, Toilettenanlagen usw. gibt. Trotzdem sehe ich die Sache kritisch. Denn am Ende ist es wie mit der Maus und dem fetten Stück Speck: Wir gehen freiwillig in einen festumschlossenen Käfig und sind danach darin gefangen. So verbrachten wir mehrere Stunden eingezäunt unter der ständigen Beobachtung der Ordnungshüter. Auf diese Art und Weise passen wir uns freiwillig den absurden Sicherheitskonzepten an, die in jedem Gästefan eine Bedrohung für Leib und Leben sehen. Als hätte hier irgendjemand vor Mainz in Schutt und Asche zu legen.

Nachdem auch Dr. Schlönz mit einem gut angesoffenen Bus aus Berlin eingetroffen war, war unsere heutige Gruppa-Abordnung komplett und wir verließen den einen Käfig für den anderen. Den Fahnenrucksack wollten sie nicht drin haben, das wiederum wollten wir nicht und mussten auf die rotzfreche Art zurückgreifen. Hat sogar geklappt. Zu Spielbeginn gab es dann im Gästeblock eine ansehnliche Rauchaktion und gute Stimmung zu erleben. Auf der Heimseite war eine Minichoreo im Bereich der Ultras (die jetzt oben in der Kurve stehen) zu sehen. Daumen hoch für das Spruchband „In unserer Kurve ist noch Platz“ und die dazugehörige Aktion für geflüchtete Menschen im Bruchwegstadion. Auch die gemeinsame ProFans-Aktion („Und die Erde dreht sich doch – Samstagsspiele sind möglich“) war gut. Es soll mal einer behaupten, die letzten beiden Spieltage würden sich schlecht vermarkten. Stimmungsmäßig kam insgesamt wenig rüber von den Mainzern.

Auf dem Platz präsentierte sich Hertha erstmals nach einer ganzen Weile mal wieder kämpferischer und engagiert. Trotz einiger guter Chancen wurde es am Ende nicht mehr als ein klassisches Abschluss-0:0. Na klar hätten wir uns auch die direkte Europacup-Teilnahme gewünscht, aber in Anbetracht der miesen Rückrunde (Hertha steht auf Platz 16 der Rückrundentabelle!), können wir mit dem 7. Platz zufrieden sein. Auch wenn mehr möglich gewesen wäre, wäre mehr wohl kaum verdient gewesen. Sogar noch weniger. So spielen wir schon im Juli gegen irgendeinen lustigen Gegner in einem versteckten Winkel der Uefa-Zone. Die Gruppa machte sich noch darüber lustig, dass ich mich so schlecht mit Fußballspielern auskenne und mehr Leute aus der Mainzer Fanszene mit Namen benennen kann, als Mainzer Spieler auf dem Platz. Juckt mich kaum.

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Kurz vor dem Abpfiff zogen noch irgendwelche Deppen (mit Hertha-Schal!) wie bekloppt an unserer GSB-Auswärtsfahne, die dabei etwas einriss. Durch das schnelle Eingreifen von zwei HM-Leuten konnte schlimmeres verhindert werden. Herzlichen Dank dafür. Sehr merkwürdige Aktion und merkwürdige Typen auf jeden Fall. Zumal an dem Tag noch ominöse Zaunfahnendiebe im Gästebereich unterwegs waren. Das erinnert mich an ein Spiel in Cottbus vor etlichen Jahren, als ein Hertha-Fan gleich nach dem Abpfiff unsere GSB-Heimfahne einpacken wollte. Auf die Frage, was er da tue, antwortete er nur „Na, die ist geil, die nehm‘ ich mit nach Hause.“ Da muss ich Hansi wirklich Recht geben. Die meisten Hertha Kutten gehen gar nicht! Du kannst Dir gar nicht ausmalen, auf was für absurde Einfälle die so kommen.

Durch das 0:0 etwas betrübt, bestiegen wir wieder den Shuttle-Bus und fuhren zum Mainzer Hbf. Im Zug dachte ich daran ne Runde zu schlafen, da die Laune auch etwas im Keller war. Doch da hatte ich nicht mit den Karlsruhern gerechnet. Denn an diesem Nachmittag war ja noch etwas ganz anderes passiert. Der ruhmreiche VFB Stuttgart, das Aushänge-Schild des SWR-Landes war doch tatsächlich abgestiegen. Egal welches Karlsruher Gesicht an mir vorbei lief, das herzliche Grinsen war überall gleich und irgendwie verblüffend. Irgendwer betrat unser Abteil und rief laut, dass hier jetzt die große Abstiegsparty stattfindet. Was nun folgte, hab ich noch nie erlebt. Eine komplette mehrstündige Eskalation nur aus Schadensfreude. Die Stimmung war genial, das Abteil stand Kopf und selbst ein paar der übrigen Fahrgäste mussten über den derben Humor etwas lachen. Wie im besten Free Style-Battle wurden nun spontan neue Anti-Stuttgart Lieder gedichtet, die richtig einschlugen. Der lauteste Song war wohl die Umdichtung des „Golden Reiters“: „Hey Hey Hey, der VFB ist Absteiger.. Hey Hey Hey, der VFB der steigt ab. Hey Hey Hey Ihr verliert Zähne und Kleider – in der Fächerstadt. In der Fächerstadt!“. Klar, wir haben auch unsere Rivalitäten. Aber eine so tiefe Abneigung wie zwischen Karlsruhe und Stuttgart, Baden und Schwaben, kennen wir nicht. Ich jedenfalls nicht. Die gute Laune war schon ansteckend und das Thema bestimmte den weiteren Abend. Während einige Karlsruher Pöbelspruchbänder zur Begrüßung für die aus Wolfsburg heimkehrenden VFB-Fans in Stuttgart anbrachten, feierte der Rest in KA mit Pizza, Bier und was sonst so dazu gehört. Als im FP langsam die Lichter ausgingen, machte sich unsere Ettlinger Reisegruppe auf den Heimweg, während der Rest von uns zu einer Kneipeneröffnung weiterzog, beziehungsweise in der Gesellschaft von Karlsruher Wildparkkaninchen die letzten Futschis am 9er exte. Keine Ahnung was da ablief. Ich war raus und froh auf dem Sofa am offenen Fenster mit wunderbar frischer aus dem Schwarzwald herabwehender Luft und friedlichem Vogelgesang einzuschlafen. Absoluter Luxus, erst Recht bei so einer Tour, wo die meisten irgendwo im Dreck mit Brummschädel liegen. Die anderen wollten sich noch ne Pizza schieben (der Klassiker nach hartem Suff), wobei Cody auf dem Tisch einschlief. Auch er war müde.

Fazit: Hertha besser als zuletzt, aber nicht gut genug. Die Karlsruher Schadenfreude hob die Stimmung nach dem Spiel wieder an und machte den Abend legendär.

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kbk*16