Bielefeld – Hertha BSC (1:1) (6.02.09)

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Gute Arbeit wurde geleistet und so stand für den heutigen Freitag (!) ein Sonderzug in Berlin-Lichtenberg bereit um uns Raufbolde im größeren Stil nach Ostwestfalen zu karren. 400 Leute mussten geworben werden, damit der Zug auch wirklich zu Stande käme. Letztendlich waren es 683 Freaks. Fein fein. So konnte das Bild vom treppenartigen Bahnhofsvorplatz in Bielefeld gerammelt von Herthanern besetzt werden. Doch noch mal zurück zur Abfahrt: Über der rollenden Bar reservierte sich das Ultra-Personal ein Abteil, das für heute viel zu klein war. Ich hing meinen gefährlichen Hooligan-Parker an den Haken, bat Schränky nen Blick auf meine Kleinodsammlung zu werfen und bestellte für meine letzte Courantmark im Portemonnaie einen Bierbecher. Mein Bart war wieder mächtig gewachsen, fast schon war ich so ne große Nummer wie der Kapitän Leutnant von U 96 kurz vor Gibraltar. Doch irgendwie scheint das nicht mehr so modern zu sein heute. Ich bin doch auch ein ganz gewöhnlicher Jugendlicher! Na entscheidend ist, dass festgelegt wurde, dass sich hier niemand mehr rasiert wenn Hertha Meister wird. Zu mindest ich legte das fest für alle.
In Spandau stieg auch der letzte Rest der Gruppa (mit Büchsenbierschubi) ein und ich konnte meinen Becher nachfüllen. Wie eine richtige Sudelatze goss ich mir dann einen Schluck auf den Schoß und entschied mich von der Gruppa zur Gruppo zu wandern. Wie lange wurde nicht mehr anständig auf ner Auswärtsfahrt gesungen? Also schlugen wir die Pauke und schmetterten flairschaffend ein paar ältere Songs, die aber nie gesungen wurden und somit doch eigentlich neu sind. Hier Freunde, in alter Manier, 2 Liedtexte aus diesem Reigen:

1. „Unsere Mannschaft ist überall bekannt, mehr gehasst als geliebt: Dit is die Alte Dame HERTHA BSC und wir holn den Sieg!“
2. „Ja wir werden gewinnen, wir werden gewinnen, ihr werdet es sehn. HERTHA BSC wird heut als Sieger vom Spielfeld gehn.“

Die Gruppo sorgte, flairschaffend, für Nebel und die Laune war blendend. So soll doch das Leben sein. Einfach mal auf einem Freitagnachmittag auswärts fahren und aus Lust am Leben am Rad drehen. Ich muss erwähnen, dass die Zugbullen und auch die beiden Schaffnerboys ziemlich locker waren. Kleinere Schäden am Zuginnenleben und ständiger Qualm veranlassten sie nicht, wie sonst, Maßnahmen zu ergreifen. Sehr vorbildlich.
Viel zu schnell in Bielefeld angekommen hatte sich eine Bullenkette (sollte man sich nicht um den Hals hängen) formiert und schirmte zwei befreundete Gewalttäter (die auf anderem Wege gekommen waren) von uns ab: Brumm und Zottel. Beide waren wild gestikulierend dabei sich Zutritt zum Hauptmob gestatten zu lassen. Aber mit der Kette war nicht zu reden. Also präsentierte ich spontan meine Brust und ließ die Kettenaugen die Buchstaben meines Obergewandes mit den identischen von Brumm und Zottel vergleichen. Das funktionierte. Sehen können sie also. Der Umzug durch die historische Altstadt von Bielefeld konnte dann beginnen. Die erwähnte Exkette (sie hatte eine neue Formation angenommen) versuchte uns auf den Gehweg zu lotsen, was misslang. Dann versuchten sie uns auf eine der beiden Fahrbahnen zu lotsen, was fast gelang. Die blau-weiße Schar hatte das sagen (das bedeutete akustisch HA HO HE in allen Gassen), so soll es auch sein.
Um den Bericht abzukürzen tauchen wir jetzt in den vollen Gästeblock der Bielefelder Alm ein. Die Zaunfahnen hingen, so gut – oder eher schlecht – es ging, die Mannschaften wollten den Tunnel verlassen und wir empfingen den Deutschen Meister mit Wunderkerzen. Ein schönes Bild, leider nur von kurzer Dauer und zu früh, da man mit dem Platzbetreten noch wartete. Ein Bielfelder Abwehrspieler hatte sich den Schlüpper noch nicht hochgezogen. Was solls, geil war es trotzdem.
Ernsthaft schweinlaut regierten wir dann die Anfangsminuten des Spiels. Die Herren auf dem Platz schienen es zu vernehmen, Hertha stürmte und Andrey Voronin traf zum 1:0. Das hatte ich aber nicht gesehen. Gerade hieß es „alle einhaken“, dann plötzlich lagen 10 Menschen auf mir drauf, die vorherigen Einhakpartner hingen wie Affen am Zaun und wiesen die Bielefelder auf ihre Geilheit hin. Die Führung war also geschafft. Hinter mir flackerte helles Licht, das Blinkbengalen erzeugten. Juhuu, Kumpels, wir sind Meister, zumindest Tabellenführer. So was muss gefeiert werden. Leider nur warf Vollhonk X einen Böller in die Nähe eines Herthafans auf der Gegengerade. Wie bekloppt kann man eigentlich sein? Nicht nur das es wirklich gesundheitlich für jemanden schief gehen kann. Auch hat man schon oft gehört und erlebt wie die Militanten Schwarzen (früher mal Grüne) oder die Oberpfeife darauf reagieren (Stichwort Frankfurt-Nürnberg). Wir feierten also die Meisterschaft und die geilste Mannschaft der Welt, während Voronin gleich noch mal an die Latte semmelte. Dann nach 28 Minuten Meisterfeier traf der, der treffen muss gegen Hertha: Arthur Wichniarek. Thorben Marx übrigens trat zwei Ecken vor unserem Block, danach ließ er einem anderen den Vortritt. Für meinen Geschmack war die „Kritik“ am zweiten Ehemaligen etwas zu derb. Aber so was „musst Du als Profi wegstecken“ sag ich mal im Fernsehexpertenslang. Hertha verlassen ist keine gute Idee. (Kennt jemand Ramelow?)
In der nächsten Halbzeit sahen die 20.700 Zuschauer auf der Alm erst Efel janz jemütlich, Beutelschwenkend, auf seinen Platz schlendern und dann eine stärker werdende Arminia. Hertha tat in meinen Augen zu wenig. 2-3 Chancen gab es noch, doch genutzt wurden sie nicht. 1:1 ist besser als zu verlieren (was wir ja durchaus können in Bielfeld, obwohl man so was eigentlich nicht kann), doch ein Sieg wäre – das klingt jetzt etwas simplizistisch – einfach besser gewesen.
Unseren Auftritt im Gästeblock fand ich durchweg gut, auch wenn es natürlich manchmal Phasen gab, die Phasen waren – zum Glück.
Bielefeld verkackte die Choreo, hat sich stimmungsmäßig aber gebessert im Vergleich zu den letzten Jahren. Gut, die Lieder singt in der Liga jeder (die Krönung war wohl „Die selbe Unterhose an“), aber wenigstens hört man jetzt mal irgendwas. Die Fettkatzen-Fahne hing.
Durch den typischen roten Matsch vorm Stadion watschelten wir in Richtung Bahnhof. Kurz wurde noch mal gestoppt, da die Kette eine polizeiliche Maßnahme durchzuführen gedachte. Kollegialität zahlt sich manchmal doch aus und so beschleunigten sie ihren Vorgang fühlbar, als wahrgenommen wurde das wir eine Atze niemals zurücklassen. Bleibt einer, bleiben alle.
Während des Wartens berichtete mir übrigens Krawallfreddi, jemand habe ein Kettenglied gefragt ob es hier irgendwo einen Spätkauf gäbe. Der Befragte antwortete: „Nee gibt’s nicht. Äh, was ist denn ein Spätkauf?“. Ach mein Berlin!
Bei der Rückfahrt half ich etwas in der Bar mit (verteilte Pfandmarken oder hielt den Kasseneimer) während sich die anderen übel benahmen. Wieder mal war alles nass (das kennt man). Heute war aber das besondere, dass in der Decke eine Schraube fehlte. Durch das entstandene Loch tropfte nun, bald fließend, Brühe. Im Oberzug muss es wohl auch Rund gegangen sein (hab gehört Arno lag da im Dreck?). Sören hielt gleich die Zunge unter das fließende Nass und attestierte einen leichten (!) Biergehalt in der Flüssigkeit. Stichwort Bier. Das war schon vor Hannover alle. Daher wurden Hannoveraner angerufen, mal Bier ranzukarren. Das hatten sie auf die schnelle nicht geschafft, aber auf dem Bahnsteig stand trotzdem eine Abordnung und gemeinsam feierten die Berliner und Hannoveraner Schluckis spontan die künstliche Pause. Am beliebtesten war der Song „Ein Bier, ein Korn lalalalalalalala und dann von vorn lalalalalalala“ und der Schlachtruf „Saufen, saufen, jeden Tag nur saufen“. Die Bahnhofsbevölkerung wird wohl die Stirn gerunzelt haben. Hannoverzottel verabschiedete uns mit extravaganten Posen und die Fahrt erlebte ihre letzte Etappe. Ich verkaufte noch 3-4 Softdrinks (die gingen nicht so) und beim Anblick des jungen Glücks gegenüber von mir musste ich schmunzeln, da es inmitten zahlreicher Assis saß. Teilweise erbrach man sich daneben, oder schütte sich Eimer in den Schlund. Ein schöner Gegensatz. Warum war kein Künstler zur Stelle und malte diese Szenerie zeitgenössischer Widersprüchlichkeit?
Brother Zarate umschrieb die Situation irgendwie mit dem „Kaffeesatz der Gesellschaft“ oder so ähnlich. Er muss mir das noch mal genauer erklären. Der Boden der Gesellschaft jedenfalls blieb bis Berlin sehr nass. Von der übertriebenen Kettenreaktion am Bahnhof Friedrichstraße bekam ich zum Glück nichts mehr mit, da Spandau heute mein Endbahnhof war. Dennoch muss es eine übertriebene Dreistigkeit gewesen sein uns Heimkehrer so zu empfangen.

Fazit: Schränky sagte, er sei mit dem Punkt zufrieden, wegen der Abhebungs-Thematik. Da hat er wohl nicht ganz unrecht.

kbk 2009