Bielefeld Auswärts. Das bedeutet: Früh aufstehen, mit dem Auto von Berkenbrück nach Ostberlin fahren, mit einer menge Krempel im Arm Gleichgesinnte treffen und ab in die Regionalbahn nach Magdeburg. Wie ein dummes Kind hatte ich mich in meinen Pulli und eine Jacke gewickelt, weil es doch am frühen Morgen, im ländlichen Raum noch vor dem Sonnenaufgang kühl gewesen war. Lächerlich! Dann wurde ich auch noch beim zustopfen meines Rucksacks beobachtet und man hielt mir Zahlreiche Kleidungsstücke entgegen, damit ich so richtig wie Santa Claus durch die Pampa laufen konnte. Ich muss irgendwie das nächste mal ohne Rucksack auskommen, ob das geht?
Die Kollegen links und rechts von mir begannen gleich fröhlich drauf los zu ballern. Klar, dass kennt man von Assifahrten, aber trotzdem verschaffte mir die hellseherische Fähigkeit in wenigen Stunden nur noch Überbleibsel von Menschen vor mir zu sehen, ein Gefühl von leichter Übelkeit. Passend dazu beratschlagte ich mit Niko wann Dave Seaman nackt sein würde. In Westberlin stieg für mich überraschend die Gruppo fast vollständig zu, worüber ich mich sehr freute, hatte man doch allerlei Seeedgemunkel im Vorfeld gehört.
Im nächsten Zug, der uns nach Braunschweig führte, hatte ich mich plötzlich mit ner Handvoll Leute in ein Kuttenabteil verirrt. Dort sorgte ein Liebhaber des spöttischen Wortwitzes für Stimmung in dem er die Namen seiner ehemaligen Schulfreunde durch das Abteil posaunte. Wen der nicht alles kannte. Sei es Jan Snackt, Matze Donien, Timo Beil, Ute Rus, Jim Panse oder Sara Jevo, dieser Mann durfte sie alle (und noch viel viel mehr) seine Freunde nennen. Neben an erballerte sich Sören das Erbe älterer Herren und dann war wieder umsteigen angesagt.
In der letzten Etappe der Anreise saß ich neben Heidi, sang „Hannover ninety-six“, verteilte Kinderriegel und sang dann halblasch wieder irgendeinen Mist mit. Die Ballerfraktion um ARRR-Berlin war inzwischen in anderen Sphären und auch endlich (ne halbe Stunde zu spät nach Nikos und meiner Einschätzung) halbnackt. Darauf hatte sich ja schon jeder mächtig gefreut.
In Bielefeld gings gleich zum Stadion, wobei mir die Last des Rucksacks und die Wärme des Pullovers die Zeit des Weges ewig erscheinen lies. Am Abgabepoint bekam ich dann noch mehr Pullover für meinen Rucksack, was im Nachhinein nicht zu verantworten war. Man stelle sich vor der wäre in Mitten der anderen abgegebenen Gegenstände plötzlich geplatzt und hätte 2-3 Ordner und eventuell einen Uniformierten erschlagen. Hooligans, die auch noch Kofferbomben einschmuggeln, wir wären unseres Lebens nicht mehr froh geworden und hätten nie mehr den Versuch wagen müssen ein Fußballstadion zu besuchen.
Franky war mit dem Materialwagen auch schon vorgefahren und wir erfreuten uns wieder am Lieblingsspiel: Wie kriegen wir die verbotenen und viel zu langen Doppelhalterstangen in den Block!? Vorbei an den Ostwestfälischen Ordnungsjacken, von denen übrigens wirklich jeder einen teutonischen Schnurbart trug, kamen doch ein paar Stangen, ein halbbefriedigendes Ergebnis. Die Begründung für das Verbot von Doppelhaltern und jeglichen Schwenkfahnen war übrigens auch ein Hit: Aufgrund der Baumaßnahmen im Stadion ist es im Moment verboten. Ja, kann ich gut nachvollziehen, da ist ja noch nichts fertig, dann kann man da auch keine Fahnen schwenken. Leuchtet ein!
Stichwort Baumaßnahmen. Der neue Gästeblock ist eine absolute Frechheit. Ein ewiglanger und vor allem hoher Treppenaufgang (mit einer 60-70cm Brüstung, über die jedes Kind stürzen kann) bringt den Fan in einen Block der eigentlich außerhalb vom Stadion zu finden ist. Demzufolge sieht man mit etwas Pech – zum Beispiel dann wenn der Block etwas voll ist, oder die Leute auf der Sitztribüne neben an (also die im Stadion!) stehen – ein gutes Viertel des Platzes nicht. Zu allem Überfluss wurde dann auch noch eine große Werbetafel hinter der Eckfahne aufgestellt die für Leute in den ersten Reihen des Blockes noch mal ein paar Meter Sicht raubten. Das man an der Tageskasse für so ein Quasi Modo 11€ bezahlen muss, ist fast ein Skandal.
Die Stimmung im Block war etwa die ersten 10 Minuten ganz annehmbar und ließ dann immer mehr nach. Ich hatte vor allem in der Schlussphase teilweise den Eindruck, dass es manchen wirklich egal war wie unsere Mannschaft hier auf der Alm spielt. Wenn man mal die Stimme erhob, dann nur um sich zum zehntausendsten mal über die Kühe und Schweine aus Ostwestfalen, die ja nur Idioten und Zigeuner sind zu äußern. Das Engagement für die Mannschaft hingegen war absolut unzureichend. Alles ziemlich fragwürdig. Der Heimseite muss man attestieren, dass sie nach dem Umzug und der Neustrukturierung der aktiven Fanszene auf jeden Fall einen guten Schritt voran gekommen sind. Optisch und akustisch war ich ziemlich überrascht, kannte man doch aus der Vergangenheit eigentlich nur das
„Bie le feld, Bie le feld“.
Das Spiel der Mannschaft möchte ich mit meinem Einkauf bei Ikea Tempelhof vergleichen. An einem Nachmittag machte ich mich gezwungener Maßen auf zum Ikea, weil ich ein Gorm-Standart-Holzregal benötigte. So ein Kauf macht überhaupt keinen Spaß, ist ein Moment an dem die Emotionen Pause machen und wird dann irgendwann, wenn man die 7 Einlegebretter, die Stützen und die Stabilisierungsmetalldinger zur S-Bahn und bis nach Hause schleppen muss, unglaublich anstrengend. Hertha spielte gezwungener Maßen auswärts, ziemlich emotionslos und verkrampfte irgendwann. Bielefeld war sicher nicht besser und schoss durch Masmanidis und Wichniarek – die ja in gewisser Hinsicht Ehemalige sind – zwei Tore die einen klaren Sieg bedeuteten. Gerade das 2:0 in der Schlussminute zeigte einfach die Unfähigkeit von Hertha: Fathi und Drobny verkacken ihr Zusammenspiel und Arthur nutzt die Gelegenheit und haut das Ding einfach rein. Im Nachhinein sagen alle, dass wir ja nicht schlechter waren und auch Chancen hatten, die wir nicht genutzt hatten. Lächerlich. Es wurden keine Punkte aus Bielefeld geholt, mal wieder. Beim schreiben dieses Berichtes fiel mir auf, ich habe nur zwei Stützbretter für das Regal gekauft. Also ist der Rest den ich in meine WG geschleppt habe – man vergleiche das mit Herthas Torchancen- Nutzlos! Ich muss noch mal hin um zu holen was ich brauche. Und Hertha leider auch.
Die Rückfahrt wurde nur mit der halben Gemeinschaft angetreten, da sich etwa 60-70 Leute in einen ICE schoben. Von deren Fahrt, die scheinbar auch Ereignisreich war kann ich nichts berichten, da ich in der Regionalbahn saß. Das war allerdings auch nicht schlecht. So bekam ich mit dem lieben Brummkreisel ein hervorragendes Showprogramm von El Commandante und Schweinert zu sehen, die zwei 16 Jährige bezirzen wollten, was ihnen in ihrem Zustand nur halb gelang. Eine von beiden hatte sich schon in die hinterletzte Ecke ihres Sitzes verkrochen um den Torwartpranken und dessen feuchter Aussprache zu entkommen, aber abgehauen sind sie nicht und daher spreche ich von einem halben Erfolg.
Auch bei den nächsten Etappen gab es durchdieBankweg nette Gespräche unterbrochen von kleinen Showeinlagen, sei es von Olli und seinen Freunden, von denen mich einer Hinterlader und dann Hintertyp nannte, oder von Andreas Dörflein der plötzlich seine Umwelt benässend KLEINE ZIEGEN einforderte. Ein Erstaunlicher Typ, der manche ekelt, aber immer wieder für Unterhaltung sorgen kann. So wachte er in Berlin aus einem Kotzschlaf auf und stimmte den Insider „Alte graue Stute“ des Herrengesangsvereins „Die Tattergreise“ an, der wirklich ne Wucht ist. Als dann noch mein Badenwannenfreund von seinem Lebenstraum erzählte, einmal der jenige zu sein, der als erstes ein frischhochgeladenes Video bei Youporn sehen darf, war der Tag gerettet, auch weil der gebildete Mann mit Brille, der Semesterferien zu schätzen weiß, vor lachen seinen Mund nicht mehr schließen konnte und von den Knien aufwärts völlig verkrampfte..
Fazit: Scheiß Spiel, aber ne gute Rückfahrt. Hoffen wir das Hertha wenigstens viele Heimspiele gewinnt.