Teil 2
Am Lehrter Bahnhof warteten wir dann müde auf den Nachtzug. Wenigstens wurde für etwas Unterhaltung gesorgt, da noch einige Schwaben, die Ihren Frust im Suff ertranken, durch Mehdorns Vorzeigepalast torkelten. Glücklicherweise hatte man das Abteil für sich, sodass zumindest bis Cologne in Ruhe abmatten angesagt war. In der Domstadt wurde in den Thalis gewechselt der uns bis Lüttich bringen sollte. Dieser dem TGV verwandte Hochgeschwindigkeitszug ist im Inneren sowas von altbacken und eng, das man echt den ICE zu schätzen lernt. Ein Mischung aus Gelsenkirchener Barock gemischt mit französischen Plüsch trifft es wohl am ehesten.
Lüttich, die Stadt an der Maas und Hauptstadt Walloniens war das Ziel, genauer das Sclessin, Stadion des Erstligisten Royal Standard Club de Liège. Mehrfach hatte ich die Stadt auf dem Weg zu anderen Spielen durchfahren. Vom Zug aus kam es mir hier schon immer sehr grau und heruntergekommen vor. Das Bild bestätigte sich allerdings auch im Zentrum. Von der oftmals zitierten mediterranen Ausstrahlung war für mich jedenfalls nichts zu bemerken. Nach 4 Stunden abgammeln in der City quetschte man sich mit Anderen in einen völlig überfüllten Bus, wodurch mal glatt das Fahrgeld gespart wurde.
Das Sclessin liegt etwas abseits der Stadt in einem noch graueren Industriegebiet. Stadionöffnung ist, zumindest für Gäste, erst ne Stunde vor Anpfiff und die Preise haben deutsches Niveau. 18Euronen kam ne Karte, ein stolzer Preis, wenn man bedenkt das in Belgien Fußball nicht den Stellenwert hat wie bei uns. Zu erwähnen ist das die Einlasskontrollen sowas von lächerlich sind, das ich mich frage warum die überhaupt durchgeführt werden. Abtasten wäre wohl das falsche Wort dafür, streicheln trifft es wohl eher. Die Ultras aus Brugge hatten auf Ihrer Zugfahrt nen Studenten aus Schweden kennengelernt, der ne Rucksacktour durch Europa macht. Der ist mitsamt seinem Kram, Messer und Ghettoblaster in den Block. Alles kein Problem. Dagegen wurde den Ultras verboten DH´s mit rein zu nehmen. Erst nach einigen Diskussionen war es dann plötzlich OK. Ins selbe Bild passt, das ne Blockfahne völlig unkontrolliert im Plastikbeutel durchkam.
Der Gästeblock ist die Hintertortribüne im zweiten Rang. Etwa 150 Fans aus Brugge haben Ihre Mannschaft die 200km nach Lüttich begleitet. Es wurden Banner, eine Fahne bestehend aus dem Löwen Flanderns sowie dem wallonischen Hahn am Zaun befestigt und die Blockfahne positioniert. Alles ähnlich wie in Berlin, nur halt eine Nummer kleiner. Kurz zum Hahn, wer jetzt denkt er sei Symbol der freundschaftlichen Verbindung zu Standard, der irrt. Vielmehr steht er in diesem Fall für die mehr als 20jährige Freundschaft zum FC Lüttich(RFCL). UB05(Ultras Brugge) waren also voll in Vorbereitungen für das Spiel vertieft. Mir blieb daher Zeit in aller Ruhe einen Blick durchs Stadion zu werfen.
Das Sclessin ist ein Mittelding zwischen Oldscool- und modernen Arenen. Die Gegentribüne und Hintertortribünen sind zusammenhängend und umfassen 3 steil ansteigende Ränge. Die Haupttribüne steht separat, was bei mir den Eindruck erweckte der ursprüngliche Stadionbau gewesen zu sein.
Die Ultras Inferno 96 Fahne hing bereits. Ihr Block liegt spiegelbildlich zum Gästeblock auch im 2.Rang und war bereits gut gefüllt. Genau gegenüber sozusagen direkt neben unserem Block haben die PHK04(Publik Hysterik) Ihren Platz. Eine relativ junge Gruppe die oftmals lauter von sich hören ließ als UI.
Kurz vor Spielbeginn ging es auch mit dem Support los. Seitens UB waren diverse kleine Schwenker und Doppelhalter am Start. Auf UI Seite ähnliches, allerdings nur ein großer Schwenker.
Verwundert hat mich, mit wie wenig optischen Material die Standardkurve supportet. Klar wie schon geschrieben gab es DH´s und Fahnen, einige mit Comicmotiven, aber insgesamt recht spärlich, was mich ein wenig enttäuschte für ein Heimspiel. Da hatte ich mehr erwartet.
Gesungen wurde auf beiden Seiten, wobei die Standardfans doch deutlich lauter waren als die Gäste aus Brugge. Noch extremer wie bei uns liegt das schlicht daran das sich von den Mitgereisten nur knapp 20% am Support beteiligen. Der Rest steht mehr oder weniger stumm in der Gegend. Das macht es nicht einfach. Dennoch gab man sein Bestes um vernommen zu werden und Cercle zu unterstützen.
Bei Anpfiff präsentierte die Standardkurve eine Choreo die Ihre Verbundenheit mit der Antifa darstellte. Eine Blockfahne mit Antifa Logo + Spruchband „United we Stand“. Auf Cercleseite wurde besagte Blockfahne präsentiert, die genau wie die kombinierte Fahne nochmals die Freundschaft zum FC Lüttich manifestierte
Man war noch mit den Choreos beschäftigt als bereits das erste Tor für Standard fiel. Ein kompletter Fehlstart für Cercle. Auch anschliessend lief bei den Grün-Schwarzen nicht viel. Standard war deutlich besser und so war es wenig verwunderlich das es bereits nach 22 Minuten 2:0 stand. Cercle bemühte sich redlich kam aber selten vors Tor. Noch schlimmer sah es mit der Abwehr aus, welche den angreifenden Rot-Weissen wenig entgegen setzen konnte.
Die Heimkurve war zumindest am Anfang immer in Bewegung und die Hüpfeinlagen liefen über alle 3 Ränge. Brachialisch laut wurde es bei Wechselgesängen mit PHK im Nebenblock oder wenn die Tribünen mitsangen. Die Supporter von Cercle versuchten mit Gesang, Trommeln und Hüpfeinlagen dagegen zu setzen, aber es fiel schwer bei den Wenigen die sich daran beteiligt haben. Auf Gästeseite wurde es etwas lauter als in der 34. Minute der Anschlusstreffer durch Oleg Iachtchouck fiel. 2:1, Geht doch noch was? Wir hatten die Hoffnung, allerdings betrug dann kurz vor Halbzeit der Abstand wieder zwei Tore.
Die 2. Halbzeit begann wie die Erste, mit einem Tor für Standard. Cercle erspielte sich in der Folge immer mal wieder Torchancen, doch versenkt wurde die Pille leider nie. Der Support auf UI96 Seite wurde erstaunlicherweise immer weniger. Nur noch vereinzelt wurde es höllisch laut. Vielleicht ist solch deutliche Führung auch Standard in Lüttich und bedarf keiner Unterstützung bis zum Schluss. UB feuerte dagegen trotz bzw. genau wegen des Rückstandes bis zur letzten Minute an.
Endstand 4:1. Standard war während des gesamten Kicks überlegen. Die wenigen Chancen die Cercle sich erspielte wurden leider nicht umgesetzt. Man muss aber auch eingestehen, das es mit einem Jahresetat von nur 3,5 Millionen Euro schwer ist eine Konkurrenzfähige Mannschaft zu formen. RSCL hat hat deutlich mehr für Ihren Kader zur Verfügung.
Die Rückfahrt nach Brugge verlief Ereignislos und man war doch des langen Wochenendes recht geschafft. Ein Gruß und Dank geht an UB05 und die Brugger Freunde bei Denen ich mal wieder übernachten durfte.
Resümee: geile „Auswärtsfahrt“ mit leider nicht ganz unerwartetem Ausgang. LEVE CERCLE
tv 2007