Zuschauer: 33.981
Der Spieltag beginnt wie so oft mit dem”Einsteigen bitte” der S-Bahn Ansagerin (aussterbender Beruf). Die Türen öffnen sich und mir kommt gleich eine “chill breeze” entgegen. Der erste Fangesang des Tages. “Wir schlagen auf Unioner ein. 100 Schläge Hertha BSC..” Genau mein Song! Instinktiv griff ich nach meinem bewusst zur Schau gestellten Herthaschal und wollte ihn vor Fremdscham verstecken.
Ich entschied mich aber für ein unauffälliges Hinsetzen und einen ausdruckslosen Gesichtsausdruck. Muss ausreichen fürs erste. Solche Freaks ey. Reißen die Klappe auf, wie Achtklässler, die noch nicht einmal im Stimmbruch sind. Ich will mal sehen, wie es aussieht, wenn ihnen ein guter Haufen Unioner gegenüber steht. Und ja, ich verstehe, dass die Möglichkeit eines Derbys immer realistischer wird. Aber muss das so in den Fokus rücken? Es war nicht das einzige Mal heute. Muss man sich über den Gegner definieren? Ich hatte den Eindruck, dass der Union-Sieg gegen Holzbein Kiel spannender und wichtiger war, als unser Heimspiel gegen Mainz.
Meine Meinung über das “Berlin-Derby” ist vermutlich bekannt. Aus Mangel an großen (!) Rivalen in der Region machten beide Seiten zu Herthas jüngsten Zweitligazeiten mehr aus dem Spiel, als es früher war. Frei nach dem Motto: Mindestens ein großes Derby mit Hass und Gewalt gehört zum Leben einer Fanszene dazu. So ein Quatsch. Wie sehr sich die Sache wieder hochschaukeln wird, wenn Union wirklich aufsteigt, kann sich jeder denken. Viel Spaß, wenn aus dem ganzen Mist ernst wird. Schließlich leben wir alle in der selben Stadt..
Zeit für den zweiten Song, diesmal mit Unterstützung von Handymucke: “Unser Atzenstyle, nie erreicht..” Was ist das Besondere an solchen Herthanern? Worin besteht eigentlich dieser “Atzenstyle”? Rumrotzen? Cap schief aufsetzen? 94.3RS2 und Warsteiner Schal am Armgelenk tragen? Oder die viel zitierten “H.Berlin” Fake-Artikel? Oder ist es der Typ, den ich schon manchmal mit Kampfhund im Park gesehen habe, der das neue Trikot über der Winterjacke trägt und mich mit “Ha Ho He” begrüßt.
Irgendwie kam ich mir schrecklich einsam vor. Man stelle sich mal vor, es gäbe die aktive Szene nicht, oder unsere Gruppa. Ich wüsste gar nicht, wie ich das bei Hertha aushalten sollte. Klar, ich schere alle über einen Kamm. Aber solche S-Bahn-Erlebnisse sind doch schon seit Ewigkeiten totaler Standard. Und jetzt fragt sich noch jemand, warum Hertha so unbeliebt ist? Hier passt das Brett von “Spitfire pilot: “Du bist betrunken! Wie soll man das sonst aushalten?”
Aber nüchtern wie ich bin, erreichte ich das Stadion ohne Umwege (abgesehen von der ekligen alle-pissen-in-die-Rinne aus grauer oder vielleicht brauner Vorzeit), kaufte das neue “Tagebuch” und beobachtete das Treiben im Gästeblock. Von Mainz und Fassenacht könnt Ihr halten was Ihr wollt. Ich kann damit nicht viel anfangen. Fakt ist aber: Die Mainzer Ultras finden jedes Jahr eine gute kreative Option, den Gästeblock bei uns optisch zu schmücken und gleichzeitig kompakt zu stehen. Heute war entsprechend der Fassenachtszeit alles sehr bunt und bis auf die Meenzer Metzger (?) haben auch alle im Gästeblock mitgemacht. Viele Fahnen rundeten den tifomäßig guten Auftritt ab. Einziger Mangel: Die Lautstärke. Nur selten konnte ich etwas von den Gästen hören.
Unsere Kurve fand ich besonders in der ersten Halbzeit schwach. Irgendwie passten wir uns dem Spielgeschehen an. Und ich gebe Fely recht, dass wir uns eigentlich nur nach der Halbzeitpause sehnten. Lahmes Spiel, leere Ränge (der Berliner groß und klein scheißt auf den Verein!), dünne Stimmung. Es kann nur besser werden!? Kaum eine Minute war vergangen, da traf Stark ins eigene Tor. Führung Mainz, die Kostümierten im Gästeblock am ausrasten. Braunkack! Auf den Boden stampfen, geräuschvoll ausatmen, weitermachen. Der ideologische Optimismus machte sich bezahlt. Schon nach 4 Minuten traf Grujic zum 1:1. Und in der 60. Minute war es ausgerechnet (!) Niklas Stark, der zum 2:1 für die Richtigen traf. Sehr gut. Spiel gedreht. Mainz ist so ein Team, gegen die verliert man mal und mal gewinnen sie. Oder ab und zu ein lahmes 0:0. So fühlen sich die Spiele jedenfalls an. Alles subjektiv und nicht mit Fakten hinterlegt. Umso wichtiger ist es, gegen solche Mannschaften zu gewinnen. Und das hat heute geklappt! Nach der Qualität des Spieles fragt keiner mehr.
Erwähnenswert ist auf jeden Fall noch die kleine optische Gratulation an die Phönix Sons, die in diesem Jahr ihr 20. Jubiläum feiern. Kinder wie die Zeit vergeht. Alles Gute Freunde!
(Foto: Marcel)
Dann hieß es “Gute Nacht Freunde”, ich musste noch arbeiten. Auf dem Bahnhof Messe Nord musste ich zwangsläufig “Menschen angucken.” Ein kleiner Trupp besoffener Typen im Studentenlook. Einer davon mit Mainz-Schal, der die ganze Zeit skandierte, dass hier Mainz regiert. Ist klar. Einer der Kumpels kannte keine weiteren Mainz-Lieder und stimmte daher ein paar St.Pauli-Schlager an. Man man. Andere würden wohl sagen, dass sie das Klischee erfüllen. Dazu gehört wohl auch, dass sie sich mit dem Thema “Diskriminierung” auskennen und politisch halbwegs aufgeklärt sind. Das heißt sich etwas zu benehmen wissen. Aber mitnichten. Kaum war die Ringbahn da, checkten sie laut grölend Girls auf dem Handy. Zitat “Die Alte würd ick nichma mit nem Stock anfassen.” Immerhin kann man sich auch für Fans anderer Vereine schämen. Das ist heute mal mein Schlußsatz.
KBK*19
So wie du schon redest, hat man Angst, dass du bald den Verein verlässt. Super Aktion am letzten Spieltag übrigens!