Aachen – Hertha BSC (0:4) (28.4.07)

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IMG_44011 ½ Stunden Schlaf waren vorbei. Oft ist beschrieben worden, dass man nach zu kurzem Schlaf Probleme mit der Lokalisierung von Körper, Geist und Umgebung hat. Diesmal war es krasser. Ich wusste nicht. Gar nichts. Nach wenigen Augenblicken fiel mir immerhin ein: „Du musst aufstehen. Du hast es so gewollt.“ Als ich unter der Dusche den blauen Duschvorhang betrachtete und mit einer Schwenkfahne verglich wurde mir der Grund meines frühen Morgens klar: Hertha, auswärts.

Am Vortag hatte ich 12 Stunden lang den Vergleich der Lutherschriften „De captivitate Babylonica ecclesiae praeludium“ und „Sermon von dem Sakrament des Fleisches und Blutes Christi wider die Schwarmgeister.“ endlich beendet. Zum Glück. Nun beschäftigte mich das Problem der Kupferdiebe. Ihr habt sicher davon gehört, dass in letzter Zeit ganze Banden losziehen und mit dem passenden Werkzeug, den modernen Windrädern und auch den Hochspannungsleitungen der Eisenbahn das Kupfer rauben. Ich war gerade dabei zu überlegen, ob der Kupfermarkt in Deutschland inzwischen vollständig illegal geworden ist – wenn man scheinbar problemlos meterlange Kupferseile verkaufen kann – als mein Handy fürchterliche Geräusche machte. Meine hypothetischen Überlegungen wurden durch Franks ungeduldigen Anruf unterbrochen. Eile war angesagt. Also stürzte ich, behangen wie ein indischer Arbeitselefant, die 3 Stockwerke hinunter, zum Richardplatz und in Franks Auto.

Die Busfahrt verlief heute ruhig. Eine Ausnahme war traditionell die letzte Reihe, die heute – Johnny sei Dank – mit einem Wischeimer ausgestattet war. Alles was in näherer Umgebung zu finden war schütteten die Süchtigen in diesen Eimer, warfen dann noch ein paar gammelige Früchte rein und nannten den ganzen Spaß „Bowle“. Wie Bienen ihre Rüssel in Kirchblüten stecken hing die Bande – halbnackt – am Eimer, soff diesen mit Strohhalmen aus und wiederholte das Ritual mehrfach. Einige Biere und ausgetauschte Worte – mit dem ehemaligen McDonalds Mitarbeiter – später waren wir immer noch nicht da. Tja, heute war die Kaiserstadt Aachen das Ziel unserer Reise und die liegt weit weit weg. Selbst als der letzten Reihe der Stoff ausgegangen war, waren wir noch immer noch nicht da. Unfassbar.

„Doch bleibst Du ruhig, so kommst Du zum Ziel, dass heute heißt: ein Herthaspiel.“ Vor dem Stadion – dass nach Terris’ nachvollziehbarer Vermutung eine Kreuzung aus der alten Försterei und dem Millerntor ist – trafen wir auf die angereiste 9er Besatzung aus Karlsruhe und die, von der Sonne extrem gerötete Gruppo THC, die heute auffälliger als sonst in ganz anderen Sphären unterwegs war. Dann gab es noch etwas Nervenaufreibung, weil wir die Trommeln nicht mit in den Block bekamen und nur mit Mühe eine einzige „ausnahmsweise“ durchbringen konnten.

Das Spiel begann und die alte Dame kam gleich richtig in Fahrt. Bereits nach 6 Minuten traf der Brasilianer Gilberto zum 1:0. Aachen – gefährlich vom Abstieg bedroht – kam aber kurz darauf besser ins Spiel und hatte nach einer Viertelstunde die Chance, mit einen Foulelfmeter auszugleichen. Doch der Schuss des Kotzbussers Reghecampf kam an Christian Fiedler nicht vorbei! Vor der Pause hatte die Alemannia noch einige riesige Möglichkeiten, traf aber nur den Pfosten oder schob den Ball am leeren Tor vorbei und so blieb es bei der knappen Führung. Gleich nach dem Wiederanpfiff gab es für die Blau-Weißen das gleiche Glücksgefühl wie zu Beginn des Spieles; Christian Giminez traf zum 2:0. In der Folge spielten die Herthaner überraschend abgeklärt und besorgten durch Bastürk (77.) und Pantelic (80.) den Aachenern sogar noch eine Klatsche.

Die 2000 angereisten Herthaner waren natürlich durch das Spiel der Mannschaft in gute Laune versetzt worden und sorgten – gerade in der zweiten Halbzeit – für wirklich gute Stimmung. Die Alemannen enttäuschten mich. Zwar gab es zu Beginn des Spiels eine Asterix-Choreo gegen den drohenden Abstieg, doch folgte auf sie eine große Stille. Ich war noch nie in Aachen, hatte aber vermutet an die Wand gesungen zu werden. Entweder hatte ich ein vollkommen verzehrtes Bild vom Aachener Publikum oder es gab einen anderen Grund. Wer weiß, wer weiß.

Nachdem Spiel hatte ich – wie neulich – schon wieder einen unnatürlich starken Durst. Also stieg ich hinab in die Katakomben unter dem Block – zog den Zorn des Kloboys auf mich, weil ich kein Kleingeld hatte – und hielt meinen Kopf unter das kühle Nass, dass aus dem rostigen Wasserhahn hinabplätscherte, wobei ich von Gummistiefeln träumte, die meine Füße von Seuchen hätten retten können. Als der Ort des verborgenen Grauens verlassen war, kam der Zeitpunkt der Verabschiedung von den Karlsruhern und der Abfahrt des Busses. Der Busfahrer – der irgendeinen Standartnamen hatte – erklärte, dass unser Bus-WC geschlossen wird und wir fuhren, mit dem Gefühl Schweine zu sein, nach Hause.
Die Heimfahrt war heute eine Gedenkfahrt an die glückselige Zeit der Kindheit. So sang der hintere Teil des Busses – der ausschließlich vor der Glotze groß geworden zu sein schien – alle Trickfilmsongs die man kennen könnte, ein Kracher war sicher der Titelhit der Miniplaybackshow,
und ich befand mich in einer netten Runde, die alte Knallerspiele wie „Ich packe meinen Koffer“ (Nach der Regel von Kenneth), „Ich sehe was, was Du nicht siehst“ oder „Wer oder was bin ich“ spielte. Zufrieden fiel ich irgendwann nachts mit der Tür ins Bett und hatte erst mal etwas Schlaf nachzuholen.

Ein Dank und Gruß geht an die anwesenden Karlsruher und Franky, der mich mal wieder selbstlos kutschierte.

Fazit: Die Zeiten scheinen sich zu ändern. Früher haben wir immer zu Hause gewonnen und auswärts verloren. Nun läuft es genau andersrum. Wer eine Erklärung dafür hat, schreibt sie ins Gästebuch der berühmten Gruppa Süd Berlin. Merci!

kbk 2007