Der Wecker schepperte, die Nacht war vorbei. Ich kroch aus meinem Loch und schleppte mich ins Bad. Ich genoss das heiße Wasser, ärgerte mich anschließend über ein stocksteifes Handtuch, stieg in frische Klamotten, griff den Rucksack und schlenderte bei eitel Sonnenschein die Straße hinab. In seinem Auto hing Frank und quälte ein sehr mickriges „Mojen“ zwischen seinen Zähnen hervor, dass ich überlegen musste, ob die Frage nach seiner Nachtruhe unangebracht sei. Am Ostbahnhof huschten wir noch schnell in den ReWe und versorgten uns mit dem Nötigsten. Kurze zeit später traf Michael ein und bestellte bei Ronalds ein so seltenes Gericht, dass wir fast den Zug verpassten, weil das Blondchen ihm nicht seinen Herzenswunsch innerhalb unseres Zeitplans erfüllen konnte.
Im hintersten Wagen der Regionalbahn bereiteten wir uns auf ein gechilltes abgammeln vor und sorgten mit Todesblicken dafür, dass sich keine Zivilisten in unser Abteil verirrten. An den restlichen Stadtbahnhöfen stiegen dann noch einige Blau-Weiße ein, so dass wir mit den 8 Karlsruhern vom Vortag nun 56 Personen waren. Diese Daten sind für die Chronisten unter euch und für die Feinde, die solche Informationen in ihre schwarzen Bücher schreiben, die früher mal Hausaufgabenhefte waren und dann in einer langweiligen Mathestunde mit dem Edding ganz schwarz angemalt wurden.
Mit einem Ohr lauschte ich den Geschichten vom Vorabend, versuchte noch einmal über den gezogenen Celtic&St.Pauli-Schal zu lächeln, der angeblich einem Unioner gehört haben musste und dann hörte ich nur noch monotones Gebrabbel und war weit weg. Frank berichtete mir später, dass ich beim schlafen scheiße aussah und irgendwer meinte ich sei ständig mit dem Kopf abgeknickt, so wie der Karlsruher vor wenigen Stunden im Bus, der es – ich habe es mit eigene Augen gesehen – schaffte pro Minute fünf mal den Kopf zu heben und dann wieder fallen zu lassen, während er schlief und die Pornodarsteller animalische Geräusche machten.
In Magdeburg wurde ohne Zwischenfälle umgestiegen und weiter ging es mit einem Bummelzug durch die schönen Lande Sachsen-Anhalts nach Halle, wo wir wiederum ohne Zwischenfälle umstiegen und einen weiteren Bummelzug betraten, in dem Johnny eine Tüte Puffreis verstreute, was der andere Johnny von der Gruppo bereits prophezeit hatte. Wir ließen Leuna-Nord und Leuna-Süd ohne Zwischenfälle hinter uns und kamen an einen unwichtigen Ort im Dornburger Land, wo wir ein letztes mal den Bummelzug wechseln mussten. Auf dem Bahnsteig in Nirgendwo standen einige junge Jenaer die rumposen konnten wie Jugendliche auf dem Spielplatz am Richardplatz in Neukölln. Als wir dann ausgestiegen waren, waren sie plötzlich verschwunden..
Übrigens hatte die Polente heute total verpennt und unseren Zug verpasst! Bis Jena, hatte ich nur einen Wachmann gezählt und der war schon etwas in die Jahre gekommen und hielt uns scheinbar für ne Schulklasse. Mensch Jungs was ist los mit Euch? Heute hättet Ihr uns alle verknacken können! Nichtmal Roy hatte heute Tickets. Wir haben Kinder verprügelt und Rauchbomben in der ersten Klasse gezündet. Wir haben Drogen missbraucht und drei Bratwurststände ausgeraubt..und ihr habt uns verpasst..
Ins Ernst-Abbe-Sportfeld kam heute nicht jeder, da eine Alkoholkontrolle alle Sonnenbrillenträger in die Knie zwang. In der Mitte von Heimkurve und Pöbeltribüne liegt in Jena derzeit der Gästeblock, was echt ne Abwechslung zum gewöhnlichen Gästeblockbesuch ist. Die Heimkurve mit der HA überzeugte mich optisch und manchmal auch Akustisch. Die pöbelnde Tribüne war das Pendant und zusammen sorgte das Heimpublikum wirklich für eine gute Stimmung. Die Anhänger in Blau und Weiss waren nun aufgefordert zunächst einen Puffer zwischen den beiden Stimmungskernen aufzubauen und sie dann beide niederzuschreien. Ich denke das gelang ganz gut, denn die Gesänge der Jenaer konnte mein Ohr nur selten finden, obwohl sie teilweise lautstark sangen. Ein Wort muss ich noch zum verehrten Kollegen auf dem Zaun sagen, der mit Wortwitz und einer unglaublich emotionsgeladenen Stimme wieder 120% auf seinem Posten gab und schon alleine die Reise wert gewesen wäre.
Der KSC schien die Lektion, die der FC Augsburg vor zwei Wochen erteilt hatte gelernt zu haben und spielte sehr souverän. Bereits nach drei Minuten traf Federico – der den KSC ja ärgerlicher Weise verlassen wird – zum 1:0. Danach kam der FC Carl-Zeiss etwas besser ins Spiel und schaffte den Ausgleich durch einen Mann namens Zimmermann (23.). Aber, wie angesprochen, der KSC spielte eines Aufsteigers würdig und konnte die erneute Führung durch Edmond Kapllanis Kopfball noch in der ersten Halbzeit (42.) erzielen. Die zweite Halbzeit verlief dann nach Plan. Jena kam natürlich, die Abwehr der Badener hielt aber stand und Carnell traf im Gegenzug in der 64. Minute zum 3:1 für den KSC. Kapllani schoss noch ein zweites Tor, das der Unparteiische allerdings nicht gab.
Nach der inzwischen obligatorischen Humba, bei der die Mannschaft komplett am Rad drehte und nachdem einige Spieler bereits ihre Schuhe verschenkt hatten, ging es dann leider an die Verabschiedung von unseren Freunden. Zusammen mit einigen anderen Herthafans marschierten wir zum Bahnhof in Begleitung zahlreicher Grüner, was wohl in diesem Moment nicht von Nachteil für uns war. Wir bestiegen den erstbesten Zug, was ein InterCityExpress war. Der Schaffnerin wurde erklärt, dass uns die Bullen gesagt hätten, wir sollten den Zug nehmen und die kostenlose Rückfahrt in 90 Minuten war geritzt. Alle amüsierten sich, verarschten die Fahrgäste, beschenkten die Kellnerin in der Mitropa mit dem Celticschal und bekamen im Gegenzug Bier für lau oder spielten mit einem Klostein rum, der nach Zimt roch. Alles war wie immer bis das unwirkliche, nahezu unaussprechliche eintrat: Mein Vater stand im Gang. Ich bitte den Leser dieses Berichtes den letzten Satz wörtlich zu verstehen und jeglichen ironischen Deutungsversuch zu unterlassen. Da es vermutlich noch nicht viele vor mir erlebt haben: Es ist ein Gefühl, dass man am besten mit einer Mischung aus „beim wichsen erwischt“ und „eingepullert“ beschreiben kann. Natürlich hob dieses Ereignis die Stimmung nochmal, bis kurze Zeit später die Fahrt in – wie die Lokalpatrioten sagen – Berlin-Papestraße endgültig beendet war.
Fazit: Ein wirklich schönes Spiel in einem schönen Fussballstadion, in dem ich mich drei mal wohler fühle als im Betonklotz von Mönchengladbach und ein Ende der Auswärtsfahrt, dass egal welche Drogen man auch genommen hat, nicht krasser sein könnte. KApolista alé!
kbk 2007