Zuschauer: 43.027
Nein, das Kribbeln ist mir noch nicht verloren gegangen. Auch wenn ich seit inzwischen über 20 Jahren regelmäßig zu Hertha gehe, kommt keine Langeweile auf. Ein Flutlicht-Heimspiel am Freitagabend mit nem interessanten Gegner. Das lässt mich nicht kalt. Es ist ein geiles Gefühl den Arbeitskram in die Ecke zu donnern, den Laptop zu zuklappen und einen meiner blau-weißen Schals aus dem Schrank zu angeln. In der S-Bahn knacke ich das erste Perlenbacher Radler (das Gute!) und spiele mit mir selbst ne neue Runde „Wer sieht den ersten Herthaschal“. Ich hatte schon befürchtet ich würde als erstes einen Schal des Gegners sehen, es kam aber nicht dazu. Ganz anders die Anreise von Fieber-Helmuth aus dem Süden, der plötzlich in Mitten von UGE bzw. Umfeld Leuten stand. Da hilft nur eins: schauspielerisches Talent beweisen. So tun als wüsste man nicht wer die sind und wohin man selbst gerade fährt. Ich tendiere da ja eher zum erröten, aber das sind andere Geschichten.
Es könnte alles so schön sein, wenn.. ja wenn ich mich nicht wieder ärgern müsste. Dass viele Herthaner offenbar lieber auf dem Sofa bleiben als Hertha anzufeuern, nervt. Ob es regnet oder schneit alter! Meine Güte, einstellige Minusgrade gehören nun mal zum Winter dazu. Wer den Winter nicht liebt, muss Deutschland verlassen. Könnte ein neuer Pegida-Slogan werden? Wenn man durch Beruf und Familie nicht mehr so viel zum Fußball kann wie früher, dann nervt diese Faulenzerei der anderen besonders. Und da geht es nicht nur um die „Ränder der Ostkurve“. Für mich bleibt ein Spiel im Stadion(!) etwas ganz Besonderes. Dazu gehört also auch Spaß an lautem Support und ein ordentliches Tifo. Ich weiß immer gar nicht was ich zuerst machen soll. Trommeln, Fahne schwenken, Doppelhalter hochhalten oder südamerikanisch die Hände wedeln. Letzteres ist besonders wichtig.
Aber noch mehr als dieser Daueraufreger ärgert es mich, wenn Menschen auch 2019 noch nur wegen ihrer Hautfarbe von einigen in der Ostkurve verspottet werden. Klar die Kurve ist nur ein Spiegel der Gesellschaft. Aber trotzdem oder gerade deswegen muss etwas gegen solche Unerträglichkeiten getan werden. Initiativen wie „Hertha für Alle“ sind daher enorm wichtig. Ich hätte jedenfalls, bei aller Freude auf das Spiel, das Stadion schon wieder verlassen können. Als nächstes halten die Mannschaften ein „Nie wieder“ Banner anlässlich des Holocaustgedenktages hoch. Auch wenn die ungeliebten Verbände mit der Aktion zu tun haben, gibt es keinen Grund sich über den Gedenkbanner lustig zu machen. Die Aussage ist sauwichtig und stellt tatsächlich Fanrivalitäten und sonstige Vorbehalte in den Hintergrund.
Anlässlich des 74. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz ist es das mindeste, mal kurz die Klappe zu halten und an den industriellen Massenmord zu denken, der damals geschehen ist. “Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen: darin liegt der Kern dessen, was wir zu sagen haben“ sagte Primo Levi. Das zu verhindern ist unser aller Aufgabe. Ob wir uns nun als politisch Aktive verstehen oder „unpolitisch“ zum Fußball gehen. Die Gedenk- und Präventionsarbeit muss in jedem Bereich der Gesellschaft stattfinden. Also auch im Fußball. Punkt.
(Quelle: www.herthabsc.de)
Blick nach drüben auf den Gästeblock: Obwohl das Spiel an nem Freitagabend stattfand, waren natürlich wieder viele Tausend falsche Blau-Weiße angereist. Wie immer aus allen Teilen des Landes. Im Gepäck hatten die Ultras rund um UGE und Co. etliche Fahnen, deren Stil mir aber nicht sehr gefiel. Auch sonst war der Auftritt – gemessen an früheren Spielen – eher schwach. „Eher schwach“ ist allerdings immer noch besser als das was die meisten Bundesligisten so abliefern. Auch unsere Kurve war irgendwie dünne heute. Die Vorsänger waren genötigt ein paar deftige Ansagen zu verpassen. Schade. Das ganze Ding sollte nicht durch Ansagen und Zwang funktionieren, sondern einfach Spaß machen. Spaß auf Knopfdruck ist bekanntlich eher schwierig.
Auf dem Rasen lieferten beide Mannschaften gleich einen ordentlichen Fight ab. Kein herantasten sondern vorwärts! Hin und her gingen die ersten Gelegenheiten. Erinnerte etwas an den Kick gegen Augsburg vor ein paar Wochen. So durften wir uns zweimal tüchtig über die Gegentreffer ärgern und dem Gästeanhang Pest und Cholera wünschen (Robi explodierte mit hochrotem Kopf – ein herrlicher Anblick). Zwei Herthatore gab es aber auch und der Jubel war groß. Marko Grujic (Vorlage von Duda per Hacke!!) und Vedad Ibisevic glichen die Führung der Beschlackten jeweils aus. In der zweiten Halbzeit gab es dann keine Tore mehr, was wiederum für Ärger und Freude sorgte. Besonders sauer war die Mehrheit wohl auf Salomon Kalou, der das Abspielen vergas. Ein Punkt ist okay denke ich.
Abpfiff und rein in die S-Bahn. Dank Beschlackter und jeder Menge englischsprachiger Touristen war diese auch gerammelt voll. Am Unsympathischsten fielen mal wieder (einige) Herthaner auf. Nicht so sehr wegen der illegalen Türöffnung die uns 20 Minuten Verspätung bescherte, eher wegen des lauten anti Merkel-Gequatsches zu dem sie das Regierungsviertel animierte. #wirschaffendas
Gegen den Frust half mir nur ein Hackfleisch-Dürum plus Brause und ein Blick auf den juten alten „Alexanderturm“.
Wir sehen uns Freunde!
KBK‘19
Über Sinn und Unsinn einer Website darf gern debattiert werden, wie auch über Politik und fragwürdige Statements in einer Fankurve. Doch sollte diese auch in der Kurve angebracht werden, anstatt sich im Netz auszukotzen. Denn das ist schlechter Stil. Noch schlechter als ein Schalker aussehen kann.
Du triffst genau meine Meinung, danke!